Moin,
wie bereits erwähnt, räume ich gerade gründlich in mehreren PC’s und aufgegebenen Buchplänen auf und fand dabei noch 2 lesbare Manus-Sequenzen. Eine folgt gleichhier drunter, die zweite findet sich unter der Überschrift : Salmo Lala
Sehe gerade, das einige Wortzwischenräume beim Einkopieren verschwinden, sorry.
* * *
Akutes Lachsfieber machtblind, macht taub. Führt zu kopflosen Handlungen. Raubt einem die Ruhe, den Schlaf, das seelische Gleichgewicht. Besonders so niederschmetternde Erlebnisse wie die, die meine erste Begegnung mit dem Farstadsee mit sich brachten. Da führt eine Reihe von glücklichen Umständen mich nicht nur auf die Lofoten, sondern sogar an ein Küchenfenster, vor dem der König des Nordatlantiks zum Tanz bittet und ...
Auch mein Unterbewusstein muss sich die ganze Nacht über mit den Ereignissen des Vortages beschäftigt haben. Nach einem Blick aus dem Küchenfenster kann ich die Brötchengar nicht schnell genug herunter geschlungen bekommen. Bin in Gedanken längstwieder am See und es dauert eine Weile, bis mir überhaupt auffällt, das ich dieHerdplatte unter dem Teekessel nicht eingeschaltet habe.
Sindri kommt mir in den Sinn, ein isländischer Lachsjünger, dem ich auf den Færøer Inseln begegnete. Wo Sindri Jahr für Jahr seinen Sommerurlaub verbringt, « weil isländischer und ausländischer Geldadel die attraktivsten Lachsgewässer meiner Heimat für mich unbezahlbar gemacht hat«. Am See Leynarvatn verbrachten wir Tage, die viel zu schnell vorüberglitten. Als eine Saisonkartefür das Leynarvatn noch weniger kostete, als eine Schachtel Zigaretten - bis die Inseln auf den Monitoren von Anglern aus aller Welt auftauchten.
Sindri investierte eine Menge Geduld in mich.Weil er erkannte, das ich mindestens genau so vom Salmo Salar besessen war, wie er. Geduldig brachte er mir bei, das ein Lachs kein Hecht ist. Das ein Stahlvorfach beim Lachsfischen völlig daneben ist. Das es bessere Lachsköder gibt, als Effzett-Blinker. Das selbst die teuerste Rute nicht für Lachse taugt, wenn sie kein Rückgrat hat, die Nagelprobe nicht besteht: Man zieht zwei Rutenlängen Schnur von der Rolle ab, blockiert die Schnurbremse und eine Rutenlänge unter der Rutenspitze hängt man ein Gewicht von 750 Gramm an die Schnur. Ist dieses Gewicht mit der Rute nicht problemlos hantierbar, ist dieRute für die Lachsangelei wenig geeignet. Weil dann schon ein mittelgrosser Lachs den Angler an die Leine nimmt und nicht der Angler den Lachs.
Die anfangs einmal von mir mit Lachs im Sinn benutzte Spinnrute mit einem Wurfgewicht von bis zu dreissig Gramm vermitteltemir bei diesem Test das Gefühl, mit einem ausgeleierten Weckglasgummi einen Stuhl anheben zu wollen. Sindri ergänzte dann noch, an typischen Grosslachs-Gewässern, oder Gewässern mit extremer Strömung, würde er nicht mit einer Rute antreten wollen, die sich bei der Nagelprobe nicht für ein Gewichtvon mindestens einem Kilogramm als gut erweist. Zuerst begegnete ich Sindris Ausführungen mit Skepsis, hatte ich doch « immerhin schon so einige grosseHechte auf die Flossen gelegt.»
Andererseits, meinte Sindri, solle ich mich aber auch nicht vom Federgespreize jener hemmen lassen, die nur zu gerne den Eindruck pflegen, das ein Lachs ein fast schon unmöglich zu fangendes, beinahe schon überirdisches Wesen seie. Dessen exclusiver Sphäre sich sowieso nur zu nähern vermag, wer von Kopf bis Fuss richtig durchgestylt ist und Gerätschaften schwingt, die für gewöhnliche Sterbliche kaum erschwinglich sind.
Die beste Alternative, die ich zur Hand habe, ist eine 2,7 Meter lange Spinnrute mit bis zu achtzig Gramm Wurfgewicht und eine Shimano Stationärrolle mit hundertfünfzig Metern 0.35-er monofiler Schnur. Auf die Nagelprobeverzichte ich bewusst, weil ich sofort wieder zum See will. Muss. Und nicht erst wer-weiss-wann.
Beim Durchsuchen meiner Blinker- und Spinner-Bestände stelle ich fest, das ich mindestens hundertfünfzig Blechköder mit nach Norwegen geschleppt habe. Am liebsten würdeich ja alle mit ans Wasser nehmen, man weiss ja nie, und sowas wie gestern, wo ein Köhler-Eisen als Lachsköder einspringen musste, wird so schnell nicht wiedervorkommen.
Sindri taucht wieder inmeinem Hinterkopf auf: “ Eigentlich brauchst du für das durchschnittliche Wat-und Wanderfischen auf Lachs nur ein paar verschiedene Toby-Blinker, so von zehn bis vierzig Gramm.” Die Møre-Silda Blinker der norwegischen Firma Remen, diesich noch schneller als Toby's führen lassen, bevor sie sich überschlagen, kannten weder Sindri, noch ich damals. “Im Brack- und Süsswasser, wo der Lachs kaum noch aktiv jagt, gerne auch in stark provozierenden Farben und Mustern. Benutzt du lieber Wobbler, brauchst du wegen der Grösse nicht pingelig sein. In meiner Heimat Island habe ich öfter mal man gerade mal massige Lachse auf zwanzig Zentimeter lange, selbstgemachte Wobbler gefangen. Es sei denn, es sind auch Meerforellen da und du willst auch diefangen können. Da würde ich dann grössenmässig nicht grösser als zehn Zentimeter rangehen. «
Ich schlüpfe in diealtgediente Wathose, stopfe mir die Jackentaschen mit Blinker- und Spinnerschachteln voll und breche auf. Am Wasser angekommen binde ich das Schnurende an einem Zaunpfahl fest, ziehe etwa zehn Meter Schnur ab und ziehe und zerre und stelle die Schnurbremse relativ hart ein. Dann klinke ich einen silbernen 18-Gramm Toby ein und wate vorsichtig, vorsichtig auf die Sandbank vor dem Bacheinlauf hinaus.
Es ist ungefähr sechs Uhr morgens. Die Luft istkühl. Erfrischend, belebend. Vielleicht zehn Grad. Das Wasserthermometer habeich natürlich wieder vergessen, schätze die Wassertemperatur auf höchstens achtGrad. Der Himmel ist ein kaum bedeckt, ab und zu nieselt etwas Sprühregen aufdie vom leichten Südwesthauch ganz leicht geriffelte Wasseroberfläche. Mit fiebernden Fingern werfe ich den Tobyraus, soweit ich kann ...
Schon beim zweitenEinholen kracht etwas hart gegen den Toby, doch mein Anschlag geht … ich glaubees nicht … schon wieder ins Leere. Ich reisse mich zusammen, zähle innerlichbis zehn und werfe erst dann wieder aus, als ich mich beruhigt habe. Ein paarWürfe lang nichts. Dann wieder: Rumms - und wieder ein Anschlag insLeere. Das darf doch wirklich einfach alles überhaupt gar nicht wahr sein ...was zum Deiwi mache ich denn falsch? Sindri müsstejetzt hier sein ... sollte ich vielleicht lieber eine Fliegenrute nehmen, wieim Repparfjordelva?
Ich schaue mir den Blinker genauer an. Deroriginale, brünierte Drilling ist nagelneu, kommt mir aber im Verhältnis zurUmrissgrösse des Tobys etwas mickrig vor. Einer Eingebung folgend montiere icheinen Drilling, der von besserer Qualität und zwei Nummern grösser ist, als deroriginale.
Zwei Würfe später jault schon die Bremse auf,bevor ich überhaupt zum Anschlagen komme. Endlich! Endlich, endlich, eeend-lich! MeinHerz jubelt! Der sitzt ! Der Bann ist gebrochen! In rasendem Tempo zerrt derFisch in einer langen Flucht nach vorne Schnur von der Rolle, hält kurz inne,prescht dann seitwärts weiter, schiesst in voller Fahrt aus dem Wasser,schüttelt heftig den Kopf und wie ich die viel zu weiche Rutenspitze hart unterWasser drücke, um dem Fisch das Springen zu erschweren ... sehe ich den Blinkerdurch die Luft segeln ... ins Wasser fallen und ...
Wer so etwas nichtselbst erlebt, am eigenen Körper erfahren hat, würde kaum glauben, kaumVerständnis dafür aufbringen können, was in den nächsten Minuten in mir, mitmir vorging. Wozu ich sonst so friedfertiger Mensch fähig gewesen wäre. Nochlange nachdem mein Puls sich wieder einigermassen beruhigt hat, schaudert mirvor mir selbst.
*
Kurz vor neun Uhrdrängele ich mich am Besitzer eines ausgesprochen gut sortierten Angelladens inBøstad vorbei, während der noch mit der Ladentür beschäftigt ist. Hole mir einen 750-Gramm Schwedenpilker vom Regal, schneide einigeMeter Paketschnur ab und teste Spinnruten. Der Ladenbesitzer sieht mir von derKasse aus ein wenig verwundert zu, einen Kaffeebecher in der Hand. Mir stellter - natürlich - auch einen Becher voll in Reichweite, schweigend, er scheintgute Instinkte zu haben, lässt mich jedenfalls völlig ungestört machen und tunund kommt nicht mit irgendwelchem Verkaufsgeplapper. Bald habe ich gefunden, was ich suche: 3Meter lang, Wurfgewicht bis 150 Gramm, zähe Spitzenaktion, Composit-Material,Qualität bis ins kleinste Detail. Marke und Preiskönnten mich kaum weniger interessieren. Dazu eine bessere Shimano-Rolle und0.35-er monofile Schnur der steifsten Sorte die ich finde. Und, wenn ich schon mal hier bin, eineWathose aus dickem Neopren. Und zehn-fünfzehnverschiedene Toby-Blinker und diverse Packungen mit Drillingen der bestenQualität, die der Laden zu bieten hat. Zahlen, bitte, ich hab' nicht den ganzenTag.
*
Kaum eine Stunde später wate ich wieder auf dieSandbank hinaus. Zwei weitere Fehlbisse machen mir wieder schwer, schwer zuschaffen. Zähle aber so lange ganz langsam und laut vor mich hin, bis ichwieder ruhig atmen kann ... bei dreissig ist wieder alles im Lot. Naja, fastalles.
Dann endlich ! Der Durchbruch ! Ein brutalzupackender Biss und ein genau so harter Anschlag, der diesmal nicht insLeere geht. Augenblicklich versinktdie Welt um mich herum in eine Dimension, die nicht mehr meine ist. Jeder einzelnemeiner Sinne folgt ausschliesslich noch dem Punkt, an dem die hart gespannteSchnur durch die Wasseroberfläche schneidet, versucht, jede Bewegung desFisches vorauszuahnen; jedes wütende Kopfschütteln mit noch mehr Zugdruck zuparieren, damit der Fisch das Gewicht des Blinkers nicht als flatterndesGegengewicht, als Hebel ausnutzen kann; jedem Versuch einer Roll- undDrehbwegung äussersten Zugdruck entgegen zu setzen, damit die Schnur nichthinter einen scharfkantigen Kiemendeckel kommen kann; jeden erahnten Luftsprungschon im Ansatz mit tief ins Wasser hinabgedrückter Rutenspitze zu behindern,damit der Fisch sich nicht mit seinem ganzen Gewicht auf die straffe Schnurfallen lassen kann; jedesmal, wenn der Fisch in Richtung Rutenspitze rast, mitallen Mitteln ein Nachlassen des Zugdruckes zu verhindern.
Tausend Ewigkeitenzwischen Himmel und Hölle später packe ich ein zitterndes, silberblankesMuskelpaket mit eisernen Griff um die kräftige Schwanzwurzel und ungestüm undmit wackelnden Knien und fliegendem Puls halb wate, halb fliege ich zum Uferund erst sichere zehn Meter dahinter bleib ich stehen und lasse den Fisch los,der sofort mit panischen Stössen des Hinterleibes in Richtung Wasserzurückzufedern versucht. Dann zwei wuchtige Schläge mit einemfaustgrossen Stein. Mit dem Zeigefinger reisse ich die Hauptschlagader hinterden Kiemen ab. DasBlut sickert nur langsam, weil das Herz schon nicht mehr schlägt. Meine Freudenschreie hätte man bestimmt noch drüben am Festlandgehört, erfahre ich ein paar Tage später.
Vor mir im feuchten, frühlingsgrünen Gras liegteine überwältigend prachtvolle, formvollendete Schönheit in ihrem Blut. Eindralles Weibchen der Gattung Salmo Salar, vier bis fünf Kilogramm schwer.Tausend kleine Schuppen reflektieren das Licht, wie frisch poliertes Neusilber.Nahe des Afters sogar noch einige Läuse, ein sicheres Zeichen dafür, das derFisch vor Stunden noch im Salzwasser schwamm. Der Bann ist gebrochen. Das Lebenist wieder, wie es sein soll: herrlich. Nur ein-zwei Herzschläge lang spüre icheinen kleinen Stich Wehmut darüber, das ich so ein fantastisches Geschöpf getötethabe.
Überglücklich schwebe ich über die grünen WiesenNachhause, in einer Hand den ausgenommenen Fisch, in der anderen einenRogensack voll helloranger Lachseier. Klatsche den Fisch auf den Küchentisch. Mache mir ein Toastbrot mitfingerdick mit Lachsrogen darauf, mit Zitrone, Salz und Pfeffer. Muss erstmal wieder landen, mit beiden Füssen auf die Erde kommen.Lachse vor meinem Küchenfenster - ich kann es fast immer noch nichtfassen.
" Also, nun hör aber mal, du! Erst rennstdu los und lässt die Herdplatte an und jetzt mit Stiefeln ins Haus!" sagtLill als sie in die Küche kommt. Dann sieht sie den Lachs.
" Oiii ! Schöner Fisch. Da brauche ich janichts aus der Truhe nehmen. "
" Doch.Der hier wirdgeräuchert, Spatz. Hier, schmeck' mal, frischer geht nicht. Das bringt dieHormone so richtig auf Umdrehungen."
" Na das fehlt ja auchnoch gerade ... "
Während ich mich in derKüche aus der Wathose schäle und sie vor dem Küchenfenster ins Gras fallenlasse, höre ich Lill sagen:
" Auf rosa Wolken jetzt, hm? Den ganzenAbend warst du sowas von gnatschig. Und nachts erst. Du hast dich wie einPropeller im Bett gedreht und laut geredet. Und mindestens fünf Mal die Treppehoch und runter ... "
" Fieber, Spatzi. Lachsfieber. Schlimme Sache. Jetzt geht's mirwieder gut. "
" Na man gut. Soüberdreht kannte ich dich ja noch gar nicht. Neue Wathose?"
" Ja, neue Angel auch. Was Vernünftiges fürLachse ... Angel ! Ups, ich habe dieAngel am Wasser vergessen. "
" Ts, tu blossnicht so. Die hast du doch mit Absicht vergessen, damit dunochmal los musst. Keine Angst, hierklaut keiner. "
Kater Foxy schnüffelt unter dem Fenster sehrinteressiert an meiner Wathose herum, leckt an etwas rum. Fischblut, mhhhh ... lecker, giert er michan.
" Du, ich warnedich, die Wathose ist nagelneu. Wenn du mir dadraufpinkelst, gibt's was aufs Fell."
Ich lasse Foxy einen Esslöffel Lachsrogen vordie Nase fallen. Hätte ich geahnt, das er nur noch ein paar Tage zu leben hatte,hätte ich ihm den ganzen Lachs gegeben.
" Hier, hau rein, Junge. Gut für denHormonshaushalt. Kannst du bestimmt auch gut gebrauchen."
Foxys buschiger Schwanzsteht steil in die Luft und zittert vor Aufregung und Genuss. Sein Fell glänzt herrlich blank. Wohl, weil er ab und zu einehandvoll fangfrische Fischleber bekommt. Er scheint immer genau zu wissen, ob ich ihmetwas mitgebracht habe, oder nicht. Wenn ich nichts mithabe, ist er nirgendwozu sehen. Habe ich etwas für ihn mit, sitzt er schon artig unter demKüchenfenster und wartet. Wie können Tiere so etwas wissen?
*
Ein paar Tage späterläuft die kleine Tochter eines Nachbarn aufgeregt die Treppe hinunter und indie Küche. " Papa, Papa - der Fuchs, der Fuchs! Der isbei die Enten!" Der Nachbar springt vom Stuhl hoch, will nicht noch mehrEnten an den Fuchs verlieren. Spurtet zum Waffenschrank, holt seinSchrotgewehr, rennt die Treppen hoch, schiesst aus dem Fenster und Bumm!Bumm! ist mein Foxy tot.
Nach zwei Tagen vermisse ich ihn langsam, machemir aber noch keine grossen Gedanken, weil er öfter mal auf Trebe ist.
Ein paar Tage später schubst die Frau desEntenbesizters ihren leicht widerstrebenden Mann bei uns in die Küche unddrückt ihn auf einen Stuhl. Verwundert registriere ich, das der Bauer, allesandere als eine Schnapsnase, Mittags schon nach Alkohol riecht und sich sowiesorecht eigenartig benimmt. In einem weg knetet er nervös an seinen Händen herumund weiss anscheindend nicht, wo erhinsehen soll, fühlt sich ganz offensichtlich nicht wohl in seiner Haut.
" Na nun machschon, mach den Mund auf." ermuntert seine Frau ihn.
" Eeeeh ...i-i-chchch ... uoooch ... nee also ... ich hab' was für euch. Nö. Dich. Neealso euch, ja. A-hach sch-scheisse... ich hab' Foxy umgebracht! So. Und nu könnt ... kannst du mit mir machen,was du willst ... "
Seine Frau übernimmtlieber wieder und erklärt was passiert ist. Ich versichere dem zutiefstunglücklichen Mann mehrmals, das ich nicht beabsichtige, irgendwas mit ihm zumachen und eine Anzeige oder irgend so einen Quatsch bräuchte er auch nichtbefürchten. Shit happens nun mal.
Plötzlich springt er aufund rennt aus dem Haus. Verwundert sehe ich seine Frau an und will auch schonaufstehen, ihm nachgehen, weil mir sein Benehmen höchst eigenartig vorkommt. Dochseine Frau bremst mich.
" Lass ihn. Wartemal ab. "
Dreissig Sekunden spätersteht ein nagelneuer Katzenkäfig auf dem Küchentisch, daneben eine FlascheCognac einer in Norwegen abartig teuren Marke. Aus der offenen Käfigtür stakstgraziös eine orangerote kleine Katze heraus, macht erstmal einen ordentlichenBuckel, damit auch alle gleich mitkriegen, mit was für einer furchtlosen Seelewir es hier zu tun haben. Wenn das kein Blutsverwandter von Foxy ist … Nachdemwir nun alle erstmal gehörig eingeschüchtert sind, steht das Kätzchen gleichdarauf mit beiden Vorderpfoten in einem Teller mit Fischresten.
Die Bäuerin sagt "Wir glauben ziemlich sicher, das das ein Kater ist. Aber bei so jungen Tieren ... Der verkloppte jedenfalls dauernd seineGeschwister, wurde uns gesagt. Und ich wollte nicht länger warten, weil der da... ja, ihr seht ja selbst, was ich meine."
Der Bauer und ich versuchen geduldig, eindeutigeGeschlechtsmerkmale an Foxy II zu finden. Einige Cognacs später wissen wirjedenfalls schon mal, das das Tierchen sich nicht auf der Nase herumtanzenlässt, wie ein erwachsener Kater fauchen, kratzen und beissen kann.
" Nu lasst das armeTier doch bloss endlich mal in Ruhe ! " schallt es aus der Wohnstube.
Als Foxy II auchendgültig genug von uns dirty old men hat, verschwindet er nach irgendwo imHaus. Ich sage " Wird 'ne Weile dauern, bis der so gross ist, das er aufElsternjagd geht."
Ich hasse Elstern, wiedie Pest. Angefangen damit, das sie bei jeder Gelegenheitzu Dutzenden über Müllbeutel oder jegliche Form von gefüllten Plastiktüten herfallen.Selbst Einkäufe in Plastiktüten, mal für Minuten auf der Treppe geparkt, fetzensie im Nu auseinander. Ewig lungern und lauern diese hinterhältigen Kreaturenin Büschen und Bäumen, kacken Wäsche, Autos, Treppen und Geländer voll. Sorichtig aber kommt mein Blut in Wallung, wenn wir mitten in der Nacht von einemnur als schier infernalisch zu bezeichnendem Konzert aus Stakkato-SchreienDutzender hochagressiver Elstern geweckt werden, die eine Katze oder einenFuchs maschinengewehrhaft mit ihren Schreien beharken. Der Elsternbestand umunser Haus herum geht einfach auf keine Kuhhaut.
Der jetzt zwar schon viel ruhigere, aber nun auchziemlich benebelte Bauer blinzelt mich an und tut so als wenn er mit einemGewehr aus dem Fenster zielt und sagt etwas, was ich als " Bumumelsdabladd " verstehe.
" Hm. Wie meinst du das?"
" Habglallen bumum ..."
" Darf man die denn schiessen?"
Als Antwort himmelt Bauer nur mit den rotunterlaufenden, glasigen Äuglein und verdreht die dabei so sehr, das ich einenAugenblick befürchte, das er mir gleich ohnmächtig vom Stuhl kippt. Aber nein,er schnellt vom Stuhl hoch, schliddert ins Wohnzimmer hinein, wo irgendetwas irgendwieaus dem Gleichgewicht gerät und laut umfällt, hält seiner Frau einen längerenVortrag ohne Punkt und Komma, aber dafür mit extra vielen weichen,zusammenhängenden Lauten.
Die Antwort seiner Frau kommt auch rein von derLautstärke besser zu mir in die Küche rüber: " Ich werd dir was ! Pfff ! Vonwegenjetzt das Gewehr holen ! Du gehörst ins Bett. Jetzt sofort. Bedank dich schönund dann fahren wir." Und offenbar an Lill gewandt " So hab' ich ihn ja schon seitunserer Hochzeit nicht mehr erlebt."
Bauer kommt wieder indie Küche gewackelt, breitet einige Male wie bedauernd die Arme aus, zeigt mirdabei fast synchron wieder das rote Weisse in den Augen und gleichanschliessend dann umarmt er mich ausgesprochen heftig. Erst einmal, dann nochmal und dann noch mal richtig doll und meintdann :
" Enanemalhö? Hö?Damanwidibladd! Halle! Bumumum, hö?"
Seine Frau übersetzt das zu " Ein andermal,wenn er nicht so müde ist, dann kommt er vorbei und schiesst ein paar Elstern.Davon hängt ihr eine an einen Baum und dann ist garantiert erstmalRuhe."
Foxy II hat in der Zwischenzeit eine Schüsselmit Grobsalz entdeckt und als Katzenklo aufgefasst.
*
Die nächsten Wochen undMonate werden mir für immer und ewig als die bisher schönste Zeit meinesAnglerdaseins in Erinerung bleiben. Wer hat schon die Zeit, sich wochenlang Tagfür Tag praktisch rund um die Uhr mit nichts anderem beschäftigen zu können, alsdie Jagd auf das Silber des Nordatalantiks? Wer hat schon das Glück, mit einerFrau verheiratet zu sein, die solche extremen Egotrips nicht nur toleriert,sondern sogar noch unterstützt? Wer hat schon das Glück, alle Nase lang ganzeSchwärme von Lachsen und Meerforellen in Sicht- und Wurfweite zu haben?Verhaltensweisen und Reaktionen, die sich sonst eher im Verborgenen abspielen,manchmal bis ins Detail beobachten zu können?
Im Verlauf meines erstenLofotensommers bekomme ich im Gebiet des Gewässersystems Farstadvassdraget undden anschliessenden Brack- und Salzwassergebieten insgesamt weit übereinhundert Lachse an die Angel. Mit für dieses Gebiet überdurchschnittlichguten Gewichten, weil ich zufällig in ein sogenanntes gutes Lachsjahrhineingestolpert bin. Vielleicht vierzig davon kommen unters Messer. Etlichemir zu kleine Exemplare entlasse ich wieder in die Freiheit. Auch einigegrössere, die nicht mehr ganz hundert Prozent silberblank sind. Mit dem schonnicht mehr ganz erstklassigen Fleisch verfärbter Wandersalmoniden gewinnt manbei Hausfrauen auf den Lofoten keinen Blumentopf.
Mein bisher grössterLachs im Farstadsee wog an die zehn kg, eine für dieses Gebiet nichtalltägliche Grösse. Im Brack- und Salzwasser südlich vor demFarstadvasdraget kann man in manchen Jahren noch grössere Exemplare antreffen.Gut für manches Ego, für unsere Küche aber uninteressant.
Nach zwei Wochen Hardcore-Marathonangeln amFarstadsee benutze ich nur noch zwei verschiedene Blinker. Je nachWassertiefe/Strömungsdruck entweder einen 12 Gramm leichten ABU-Toby in Blauund Silber mit vier roten Punkten und weissem Auge, auf den ich regelmässigauch Meerforellen fange. Oder einen 32 Gramm schweren Møre-Silda in Silber mitrotem Streifen, der bei Meerforellen kaum mal ankommt. Die original montierten Drillinge verschrotte ich ausnahmslos, willmich gar nicht erst damit herumärgern. Ersetze sie durchein bis zwei Nummern grössere Drillinge der jeweils besten erhältlichenQualität. Tausche Haken schon beimgeringsten Anzeichen von nachlassender Schärfe aus, was sich als sehr gesundfür meinen Blutdruck erweist.
Für 'unmögliche'Lachsehalte ich einen Joker in petto, der entweder überhaupt gar nicht beachtet wirdoder aber mit aussergewöhnlicher Wildheit attackiert wird. Ein ohne Haken etwaacht Zentimeter langer Toby in kreischorange mit kräftigen schwarzenQuerstreifen und zwei von mir aufgeklebten, grossen weissen Augen mit schwarzenPupillen.
Anfänglich führe ich dieBlinker in stehendem oder langsam fliessenden Wasser viel zu langsam. Etwa so,als ginge es auf Hecht. Bis zu einem Aha-Erlebnis, das mir die Augen öffnet.
*
Ein Sommertag mitdurchwachsenem Lachswetter. Steifer Südwestwind jagt vom Atlantik her über denFarstadsee, quirlt das Wasser zu kniehohen Wellen mit kleinen Schaumkrönchenauf. Lässt der Wind mal eine kleine Weile etwas nach,regnet es sintflutartig aus tiefhängenden, dunklen Wolken. Für mich dasTraumszenario schlechthin, Lachswetter vom feinsten.
In einer flachen Bucht kreiselt ein Trupp vonzehn-fünfzehn Lachsen verspielt umher. Dank meiner Polariodbrille komme ich mirvor, wie vor einem Aquarium. Plaziere den blausilbernen Toby einige Meter nebendem Schwarm. Hole ein, wie gewohnt. Erziele nicht die geringste Reaktion.Plaziere den nächsten Wurf dichter am Schwarm. Wieder keinerlei Reaktion. Werfeein paar Meter über den Schwarm weg und ziehe den Toby langsam mitten durch denSchwarm und halte vor innerer Anspannung die Luft an. Sehe einen Lachs einen kleinen Ausfall inRichtung Toby machen. So, als wolle er den Toby warnen, erschrecken. Ich wagekaum noch, zu atmen, behalte die gleiche Einholgeschwindigkeit bei. Ein andererLachs bricht seitlich aus und schiesst wie der Blitz auf den Toby zu und ...knufft ihm mit einem Kopfschlenkern in die Seite! Einmal. Zweimal. Ohneüberhaupt das Maul zu öffnen ... und ich bin einfach nur völlig paff.
Werfe wieder über denSchwarm hinweg, ziehe den Toby wieder mitten hindurch. Diesmal dreht der demToby am nächsten schwimmende Lachs sofort auf ihn zu und folgt ihm, nurZentimeter hinter dem Drilling, mit geschlossenem Maul. Ich weiss nicht, warum,aber aus irgendeinem Grund hole ich da rein reflexmässig immer schneller ein.Beobachte verblüfft, das das gesteigerte Tempo des Blinkers das Verhalten desganzen Schwarmes beinflusst. Als ich den Toby mit fliegenden Fingern mit derRute aus dem Wasser hebe, prallt der Nachläufer mir fast gegen die Wathose ...
Den nächsten Wurfplaziere ich soweit hinter dem Schwarm, wie ich zu werfen vermag. Hole dann mitdreifacher Hecht-Geschwindigkeit ein. Als der Toby noch etwa drei-vier Metervom äussersten Lachs entfernt ist, schiesst dieser aus dem Stand heraus mitverblüffender Geschwindigkeit dem Toby entgegen, die Rute federt einen brutalenRuck ab und ich schlage ins Leere an. Jetzt kurbeleich, was Handgelenk und Rolle hergeben und ... wie der Blitz schiesst einanderer Lachs heran und - wamm - ist er gehakt. Zwar nur von aussen und nur im Oberkiefer,aber solide.
Mit der Zeit wird mirbewusst, wie überaus scheu Meerforellen im Vergleich zu Lachsen sind. Das meinGewate und Geplatsche Lachse genau so wenig beeindruckt, wie ein in stehendemWasser schlaff dahin eiernder Blinker. Das man in einem stark strömendemGewässer nicht schneller einzuholen braucht, als beim Hechtangeln, um beiLachsen Interesse zu wecken. In langsamer fliessenden oder gar stillstehendenGewässern bringt langsames Einholen deutlich weniger Lachs-Attacken ein, diedann dazu in der Regel auch noch deutlich halbherziger ausfallen.
Biss und Biss ... imSalzwasser kann ich öfter beobachten, das Lachse meinen Blinker als möglicheMahlzeit auffassen, tatsächlich zu fressen beabsichtigen. Das Maul weit aufreissen, oft den ganzen Blinker tief inhalieren unddann dementsprechend gut gehakt sind.
In reinem Süsswasser kommt es mir sehr oft sovor, als wolle der Lachs meinen Köder ersteinmal eher nur verscheuchen. So, wieman etwas Lästiges verscheucht. Entwickelt sich das Lästige aber, zum Beispieldurch zehn Würfe auf immer die gleiche Stelle, in den Augen eines Lachses zueinem echten Störenfried, dann ist irgenwann mal Schluss mit blossemVerscheuchen, dann wird verbissen, brutal draufgehauen.
Eines Nachts im Lichtder Mitternachstsonne mache ich drei-vier solide Lachse aus, die unangestrengtin leicht strömendem Süsswasser schweben. Werfe den Toby nach und nach näher ansie heran. Zuletzt so nahe, das sie zur Seite ausweichen, bis der Blinker durchist, um dann gleich wieder die ursprüngliche Position einzunehmen. Bestimmtzehn Minuten lang beharke ich die Fische mit dem Toby. Erst, als ich dieEinholgeschwindigkeit deutlich steigere, erkenne ich erste Anzeichen von ...Interesse? Agression? Klinke meinen Joker ein, werfe weit hinter die Fische undkurbele ihn in Höchstgeschwindigkeit auf die Lachse zu und eine brutale Attackebringt mich fast von den Füssen, weil ich etwas riskant stehe. Das hatte mitFressen wollen nichts zu tun, das war nackte Agression. So nach dem Motto,jetzt reichts aber wirklich, du Zwerg. Wie viele der Lachse, die im Süswasseraus reiner Agression nach meinem Blinker schnappen, ist auch dieser Lachs nurso eben und eben gehakt. Vermutlich überhaupt nur gehakt Dank desübergrossen, nadelscharfen Drillings. Der bei einigen der rein agressivreagierenden Verbeisser-Lachse auch mal von aussen her ins Maul eindringt. EineSituation, bei der mir acht von zehn Lachsen verloren gehen.
Wie agressiv selbst kleinste, männliche Lachsein Laichgebieten sein können, verblüfft mich immer wieder. Einmal, an einemtypischen Meerforellenversteck weit oben im Bach Storelva zupfe ich vorsichtig,hinter Grünzeug getarnt auf Knien stehend, eine kleine Alexandra-Fliege durchden hier vielleicht einen halben Meter tiefen Bach. Kaum ist die Fliege imWasser, lösen zwei solide Meerforellen sich spurlos in Luft auf - weil ausdrei-vier Metern Entfernung ein Lachs angestürmt, ja regelrecht angepoltertkommt, das es nur so spritzt. Im ersten Ansturm verfehlt er die Fliege, landetin seinem wilden Eifer beinahe auf dem Trocknen. Beim nächsten Wurf erwischt erdie Fliege sofort und bringt im Drill den ganzen Bach in Aufruhr. Ein Winzlingvon umbei anderthalb Kilogramm, aber mit dem Herz eines Löwen. Der Fisch hateine kleine Verletzung an der Schwanzwurzel. Zwei Tage später an der selbenStelle geht der selbe Lachs wie eine Furie auf einen kleinen Insektenspinnerlos. Wieder lasse ich ihn wieder frei.
Lachse können auch sehr verspielt sein. Einmal,an einer bei niedrigem Wasserstand schwierig zu beangelnden Stelle im BachLakselva, lasse ich einen fingerlangen, schwimmenden Rapala Wobbler mit derStrömung an ein paar Steinen vorbeitreiben, hinter denen auch bei ansonstenniedrigem Wasserstand oft Lachse stehen. Mit der ersten Umdrehung blockiertmeine Rolle, weil die Schnur sich um das Schnurlaufröllchen herum verhedderthat und der Rapala zappelt nur etwas auf der Oberfläche herum ... da taucht vonseitwärts ein solider Lachs auf, stupst den Rapala mit dem Maul an, so, alswolle er sagen, na, was ist denn nun ... Mich reitet an dem Tag der Schalk undso ein wilder Spielkammerad kommt mir da gerade recht und auf einen Lachs mehroder weniger kommt es mir sowieso schon längst nicht mehr an. Mit einem Ruckreisse ich den Rapala weg, hole ihn ein und entferne schnell die Drillinge.Dann lasse ich ihn wieder treiben, genau bis an die selbe Stelle. Hauche ihmmit kurzen Rucken der Rutenspitze Leben ein. Prompt kommt der Lachs wieder zumVorschein, beisst einmal kräftig in den Rapala und taucht wieder ab. Jetzt bewegeich den Rapala langsam immer heftiger und heftiger. Da taucht der vermutlich selbeLachs wieder auf, schnappt sich den Wobbler und taucht mit ihm ab. Ich spannevorsichtig die Schnur und spüre ruckartige, kurze Bewegungen. Dann steigere ichden Zugdruck langsam. Nicht hart, aber für den Lachs deutlich spürbar. Und derwill seine Beute? sein Spielzeug? wohl nicht einfach so mir-nichts-dir-nichtswieder hergeben, zieht unaufgeregt einige Meter bachabwärts und lässt erst dannden Rapala wieder los, als ich ernstlich gegenhalte ...
*
Methoden, Salmoniden zu landen, gibt es viele. Persönlich bevorzuge ich die Handlandung perSchwanzwurzelgriff. Zumindest beim Watfischen an verhältnismässig flachenUfersäumen. Verliere ich einen Fisch, weil ich seine zu dünne Schwanzwurzelnicht so richtig zu packen bekomme, naja. Einen Lachs dieser Grösse hätte ichvermutlich sowieso wieder frei gelassen. Aber auch hin- und wieder verloreneMeerforellen von ein bis zwei kg wären es mir nicht wert, dauernd einensperrigen Kescher oder ein nadelspitzes Schlaggaff mit mir herumzuschleppen. Jeweniger Krimskrams ich beim Wat- und Wanderangeln dabei habe, umso rundumwohler fühle ich mich. Ein Fisch mehr oder weniger bedeutet mir nichts. Grösstmögliche,unbeschwerte Bewegungsfreiheit bedeutet mir viel.
Die Landung vonSalmoniden per Schwanzwurzelgriff hat natürlich auch ihre Grenzen. AusErfahrung weiss ich, das ich einen Lachs von 7 bis 8 kg mittelsSchwanzwurzelgriff noch gut in den Griff bekomme. Sehe ich eine mir zu kleineoder zu grosse Schwanzwurzel, surfe und schleife ich den aussgedrillten, aufder Seite liegenden Fisch mit zunehmendem Schwung ans Ufer.
Ingar mit seineneiswassergestählten Berufsfischerpranken hat schon mehr als einmaldemonstriert, das man auch noch Salmoniden von über 10 kg perSchwanzwurzelgriff sicher zu landen vermag. Doch weder er, noch ich, würdenüberhaupt nie auch nur auf den Gedanken kommen, nordnorwegische Top-Lachsflüssewie Tana oder Alta zu befischen, ohne ein solides Schlaggaff in unmittelbarerReichweite zu wissen. Wer schon einmal versucht haben sollte, die Schwanzwurzeleines 15 oder mehr kg Salmo Salar richtig zu packen zu bekommen, auch wenn derFisch zunächst abgekämpft erscheint ...
Stehe ich allein aneinem Steilufer oder sitze allein in einem Boot und niemand kann mirdazwischenfunken oder in die Quere kommen, ziehe ich immer und jederzeit einGaff vor. Jedoch keines der wie in zum Beispiel in Deutschland handelsüblichen,um 180 Grad gekrümmten, die man in den Fisch ziehen oder reissen muss, was nurin der Theorie immer funktioniert. Sondern das in Norwegen allgemein üblicheSchlaggaff. Ein simples Ding aus Holz, klepp oder hødd genannt, angenehm griffig ausgeformt, vonetwa handlang bis hin zu etwa anderhalb Metern Länge zu haben und mit einemfingerlangen, leicht angewinkeltem Schlagdorn aus starkem, nadelspitzgeschliffenem, rostfreien Rundstahl.
Ende der Siebziger habe ich mich mit dem inNorwegen praktisch überall zu habendem Standardmodel angefreundet, das etwasechzig cm lang ist. Schnell auch seinen praktischen Nährwert als Fischtötererfahren. Ob trocken und leicht oder nass und schwer, einen besseren Fischtötergibts wohl kaum und den Fisch, den ich mit der Rückseite meines Schlaggaffsnicht zu seinen Ahnen zu schicken vermag, möchte ich in norwegischen Gewässerngar nicht erst an den Haken bekommen. Mein neuester klepp ist mittlerweile auchschon wieder zehn Jahre alt und neu für etwa acht Euro zu haben.
Bei mehreren Leuten im Boot, also bei hier undda raushängenden Ruten und Schnüren und einem somit weitaus grösseren Potentialfür Stress und sonstige unberechenbare menschliche Faktoren, steige ichsicherheitshalber auf einen XXX-L Kescher um. Kommt der Fisch damit ins Boot -na wie schön. Entkommt er im allgemeinen Adrenalinrauschzirkus - na gut. Lieber mal ein verlorener Fisch, als achtZentimeter tiefe Löcher in Angelkollegen.