...möchte ich euch in zwei Beiträgen schildern. Warum zwei Beiträge? Einfache Erklärung: der Weg war lang und ich bin mit diesem Thema - zumindest schriftlich - immer noch nicht ganz fertig. Ich fange dann mal beim Urschleim an......
Der skandinavische Löwe
Bin auf einem Bauernhof im Norden von Halle (Saale) aufgewachsen. Da sich in kurzen Abständen unsere Familie vergrößerte, verbrachte ich aus Platzmangel die ersten Jahre meiner Kindheit eine Etage tiefer bei Oma und Opa. Von meinem Großvater bekam ich noch im Vorschulalter den ersten Erdkundeunterricht. Unterrichtsmittel war ein alter Atlas, der auf mehreren Seiten mit einem Adler bedruckt war. Die Beute in den Fängen des Adlers war mit einer Rasierklinge ausgekratzt. „Hier liegt Frankreich, da war ich von …. bis…..stationiert. Ein Stück weiter rechts siehst du den italienischen Stiefel und hier oben den skandinavischen Löwen. Aha, so ist die Welt aufgeteilt.
Der skandinavische Löwe war mir als Kind unheimlich. Die stark zerfurchten, zumeist dunkelbraun gefärbten Landkarten waren für mich äußerst beklemmend. Wie schön dagegen das satte Grün der norddeutschen Landschaften.
Karauschen, Moor- und Russenkarpfen
Wer auf dem Dorf wohnt, für den ist der Dorfteich Dreh- und Angelpunkt. Und hier wurde mit selbstgebastelten Bambusruten den Karauschen im Dorfteich nachgestellt. Etwas später waren es die Moor- oder Russenkarpfen aus den Teichen am Posthorn und aus der Elsteraue, die auf dem Küchentisch landeten. Die hatten mehr Gräten als Schuppen, aber schmeckten gebraten vorzüglich.
Was Russenkarpfen sind? Unsere befreundeten Waffenbrüder wilderten hin und wieder mit Karbid in den verbutteten Weißfischbeständen der Elsteraue. Die Fische wurden dann – ähnlich wie der Stockfisch in Norwegen (allerdings unausgenommen und viele nur so groß wie Aquariumfische) – an der Luft getrocknet. Zum Entschuppen wurden die getrockneten Fische später über die Tischkante geruppelt und anschließend zusammen mit Wodka verzehrt.
Damals in der Schule gelernt: von Freunden lernen heißt siegen lernen. Aber wo bekomme ich Karbid her? Dass die stationierten Kameraden damals unter katastrophalen Bedingungen ihren Dienst verrichteten und auf diese „Zusatzversorgung“ angewiesen waren, erfuhren wir erst viel später.
Backfische
Hatte ich es früher am Wasser auf möglichst schwere Fische abgesehen, trat mit Beginn meines Wehrdienstes ein Sinneswandel ein; jetzt wurden die leichteren „Fische“ bevorzugt. Die Fänge waren in dieser Phase aber relativ bescheiden, wer mag sich am Biertisch schon über Würmer oder Maden unterhalten. Und die glitschigen Fische mit den Händen anfassen? Igitt….Rückwirkend aus heutiger Sicht betrachtet: ich hätte ein paar (Back-) Fische mehr vertragen können.
Die eigentliche Angelei war in dieser Zeit aber vollkommen nebensächlich, alle Gerätschaften wurden im An- & Verkauf zunächst versilbert und anschließend....sagen wir mal verhopft! Abmeldung aus dem Deutschen Anglerverband.
Neuanfang
Die Angelleidenschaft kann man nicht einfach abhaken. Nach Wehrdienst und Studium folgerichtig Neuanmeldung im DAV. Insgesamt zwar nur wenig Zeit für das geliebte Hobby, aber ich war wieder dabei. Und hin und wieder mal am Wasser, zumeist in den Abendstunden. Einfach schön, wenn der Wind abends einschläft, die Dämmerung beginnt, die Bisamratten munter werden, die Knicklichter an den Posen leuchten und hin und wieder unter die Wasseroberfläche abtauchen….
Meine Verwandtschaft erobert Norwegen
Nach der Wendezeit wurden meinem Schwager Peter die zahlreichen Seen und Fließgewässer im Raum Wandlitz / Prenden zu klein und auch mein Schwager Bernd meinte, dass die Rattmannsdorfer Teiche im Süden der Stadt Halle nicht nur mit Quecksilber belastet sondern auch total überfischt sind. Wir müssen unbedingt nach Norwegen, da kannst du fangen….
Und die machten Nägel mit Köpfen, ließen kein Jahr aus und erkundeten insbesondere die Regionen nördlich von Namsos bis Hammerfest, überschwemmten die ahnungslosen Ferienhausbesitzer literweise mit 32%iger Goldkrone und wurden im Gegenzug mit Fischen belohnt. Nicht mein Ding. Aber die Fotos und Landschaftsaufnahmen zeigten erste Wirkungen.
Verhängnisvolles Versprechen
Wer sein Eigenheim baut, der ist permanent in Zeitnot.
„Aber mal so ein kurzer Schnupperkurs auf der Ostsee? Das müsste doch drin sein....oder?“ „Na gut, einverstanden – ein Wochenende kann ich abknapsen. Aber dann ist Ruhe.“
Und meine Schwagerbande nahm mich beim Wort. Sie organisierten kurzfristig eine Tagesausfahrt mit einem Fischkutter auf die Ostsee. Liegeplatz der MS – ich weiß den Namen heute leider nicht mehr – war am schwimmenden Kaufhaus in Rostock. Geplante Ausfahrt an irgendeinem Dezembertag noch vor der Jahrtausendwende.
Und nun kam eine Lawine ins Rollen, die ich nicht mehr kontrollieren konnte. Im Dezember kann es saukalt werden und auf dem Wasser sind die gefühlten Temperaturen noch mal 10° tiefer. Also wurde auf die Schnelle ein grönlandtauglicher Einteiler mit Kapuze angeschafft, sicherheitshalber zwei Nummern größer, damit man noch einiges darunter anziehen kann.
Neue Ausrüstung? Brauche ich nicht. Meine unkaputtbare, schwere Vollglasrute und die 40-iger Mono auf Plastik-Stationärrolle ist vollkommen ausreichend. Trotz größter Bedenken meiner Experten sollte ich Recht behalten.
Die erste Ausfahrt wurde wegen Sturmwarnung einen Tag vorher abgesagt. Meine Enttäuschung war groß – ein bischen hatte ich mich schon auf die Ausfahrt gefreut. Was soll`s, neuer Termin im Januar.
Am Abend vor der geplanten Ausfahrt schon mal mit Kräuterlikör die vielen Fische betäubt und – ein voller Magen wärmt – ordentlich den Magen überfüllt. Abfahrt in Prenden (Nähe Klosterfelde / Wandlitz) 2 – 3 Stunden nach Mitternacht. Wetter frostig, saukalt, das Termometer war über Nacht auf minus 6 Grad gesunken. Aber ich bin gut vorbereitet.
Damit sich Unterhemd und Slip nicht auseinander arbeiten, habe ich mir einen Body geleistet, das sind die Teile ohne Knöpfe, nur mit Eingriff. Darüber ziehe ich noch einen dicken Pullover und meine Jeans, darauf abschließend den grönlandtauglichen Einteiler mit Kapuze. Super, ich fühle mich angenehm gewärmt. Die Heizung im Auto bleibt aus, wir sind ja eingemummelt und guter Dinge.
Wir sind bereits über eine Stunde unterwegs in Richtung Rostock, als sich bei mir die Speisen vom Vorabend in Richtung Pförtnermuskel bewegen und mit Nachdruck ans Tageslicht wollen. Die ersten Schweißperlen auf der Stirn konnte ich noch ignorieren aber kurz danach war Not am Mann. Am nächsten Parkplatz runter – natürlich kein WC, kein Baum, kein Strauch – und ich mit Einteiler und Kapuze, darunter mein Pullover und die Jeans und als Spaßbremse noch den Body. Und der eisige Wind pfiff sein Lied…
Wieso ausgerechnet kurz nach 4 Uhr in der Frühe ein vollbesetzter Reisebus den Parkplatz ohne Einkaufsmöglichkeit und ohne WC ansteuert, weiß nur der liebe Gott. Ich glaube, ich hatte mich damals für einige Minuten tot gestellt.
Ich kann euch versichern, dass ich niemals in meinem Leben wieder so ein unpraktisches Teil anziehen werde.
Nach erfolglosen zwei Ausfahrten auf die Ostsee reift im zweiten Beitrag mein Entschluss, es doch einmal in Norwegen zu probieren. Der Anfang ist gemacht, den zweiten Beitrag stelle ich in der kommenden Woche ein. Und dann kommt zeitnah....mein erstes Mal.
Peter