Relativiert aber insgesamt das mediale Bild eines "Schlaraffenlandes" - und das ist gut so !
Nee, das ist Norwegen sicher nicht, und ist es auch nie gewesen.
Relativiert aber insgesamt das mediale Bild eines "Schlaraffenlandes" - und das ist gut so !
Nee, das ist Norwegen sicher nicht, und ist es auch nie gewesen.
Gibt oder gab es Eingliederungshilfen wie Sprachkurse etc. für euch Ausländer?
Ich war kurzzeitg bei einem Sprachkurs. Zusammen mit Polen, Tschechen, Thais, Chinesen und Somalis. Naja, nach der vierten Sitzung hab ich mir das nicht mehr gegeben. Dafür ist die deutsche Sprache dem Norwegischen dann doch zu ähnlich, als dass das für diese Gruppe gedachte Lerntempo mich irgendwie weitergebracht hätte.
Sonst gab es für mich auch nichts, hab ich aber auch nie nach gefragt.
Die Art und Weise, wie wir hier jetzt berichten, mag sehr negativ erscheinen, aber das verzerrt natürlich auch. Wäre es so negativ, wären wir alle ja schon längst weg. Aber dreimal so hohes Einkommen in meinem Fall, einen quasi unkündbaren Job im Baugewerbe, diese Freiheit die Natur nutzen zu können und natürlich die lockere Lebensart, deren schattenseiten wir ja schon ausführlich betrachtet haben, das hätte ich so in Deutschland nicht. Ganz sicher ist auch nicht jeder dafür geschaffen, hier zu leben. Muss ja auch nicht jeder, wär ja auch schlimm, dann wärs auch vorbei mit den vielen Freiheiten.
Habt Ihr Erfahrungen mit dem Schulsystem? Nach den EU-Vergleichsstudien Pisa sind die Ergebnisse ja besser, zumindest erinnere ich so. Gleichzeitig scheint ja die Berufsausbildung nachzuhinken...
Wie ist eure Sicht ?
Also das hast du falsch in Erinnerung. Das norwegische Schulsystem hinkt total hinterher, ist auch ein grossen Politikum hier.
Nochmal was zur Berufsausbildung: die orientiert sich hier sehr pragmatisch an den tatsächlichen Anforderungen im Beruf, der traditionell handwerkliche Teil gerät immer mehr ins Hintertreffen. Ein norwegische Tømrer ist eigentlich gar kein Zimmermann nach deutschen Gesichtspunkten, sondern eher ein Holzbaumonteur oder sowas.
Ich sag es mal so: Ich kann bei jeder norwegischen Firma im Holzbau arbeiten und bin fachlich meist gar nicht richtig gefordert. Ein norwegischer Tømrer, der in einer deutschen Zimmerei arbeiten wollen würde, käme da erstmal nicht über den Status eines Hilfsarbeiters hinaus, einfach weil ihm fast alles an relevanten Kenntnissen für den Zimmererberuf in Deutschland fehlt. Mag sein, dass das überheblich klingt, ist aber leider eine Tatsache. Dass das so ist, wurde mir übrigens auch von norwegischen Berufschullehrern genauso bestätigt. Meine norwegischen Kollegen würden das nie aber zugeben.
Ich kann dabei so im Detail natürlich nur für mein Berufsfeld sprechen.
Können sie meinetwegen. Es gilt ja nicht für alle, aber für viele.
Ja, das kenn ich. Viele ahnen aber, dass ihre norwegische Ausbildung nicht so gut ist wie die anderer, aber zugeben würden sie es nie. Wenn ich mir das in meinem Job ansehe... zwischen dem Fachwissen und Fertigkeiten in meinem Job besteht zwischen den norwegischen und deutschen Facharbeitern ein Himmelweiter Unterschied. Ich habe vor kurzem sogar von einem norwegischen (!) Schreinermeister gehört, dass er keine Norweger mehr anstellt, weil sie einfach nicht gut genug sind und die Maschinen nicht ausreichend bedienen können.
Unsere Firma hat gerade die Tischlerwerkstatt eines nahegelegenen Industriebetriebes übernommen. Aber erstmal durfte da keiner von uns drin arbeiten, weil das einen Kurs an den Maschinen erfordert. Nun ja, nachdem wir kurz und knapp nachweisen konnten, dass dieser Kurs in der deutschen Ausbildung zum Zimmerer obligatorisch ist, sind die einzigen, die in der Werkstatt arbeiten dürfen die drei deutschen Angestellten...
Dabei sollten eigentlich gerade die übernommen werden... wäre nicht das erste Mal, dass solche Sachen in der Verwaltung völlig falsch gehandhabt werden. Und vom NAV will ich gar nicht erst anfangen... oh mein Gott der perfektionierte professionelle Dilletantismus.
Aber das zieht sich wie ein roter Faden durch alle Behörden. Ich hab da auch grad ein lustiges Beispiel: Für die Zulassung zur Meisterprüfung musste ich meinen deutschen Gesellenbrief anerkennen lassen. Das ist gar nicht so leicht, wenn sich herausgestellt, dass bei der letzten Umorganisation in der Verwaltung der Fylkeskommunen schlicht und ergreifen die dafür vorgesehene Instanz vergessen wurde. Es gibt de facto niemanden in ganz Norwegen, der diese Anerkennung ausstellen darf.
Komisch, ich bezahle selbst für teure Medikamente nur einen relativ geringen Anteil...
Dafür darf man aber auch positive Seiten nicht unerwähnt lassen: In norwegischen Krankenhäusern gibt es nicht die Auswüchse wie in Deutschland, dass OPs unnötig ausgeführt werden, nur weil das Krankenhaus dadurch mehr Geld bekommt. Und es ist keine Fliessbandabfertigung im OP wie in Deutschland. Von der Altenpflege will ich gar nicht erst anfangen, da ist der Unterschied zwischen Norwegen und Deutschland zugunsten Norwegens schon drastisch, sowohl für Patienten als auch für das Personal.
Und ob Provinzkrankehäuser in Deutschland sich da so gravierend unterscheiden... naja, ich wreiss nicht.
Medikamente werden auch kompl. selber bezahlt, es sei denn es sind sogenannte blå resept, das sind gewisse Dauermedikamente.
Das stimmt aber so nicht. Man bezahlt auch hier nur einen Eigenanteil.
ZitatHein, die moderne Technik sollte aber auch bedient werden können
Das ist auch in fast allen Krankenhäusern der Fall.
Also für einen normalen Arztbesuch bezahlt man einen Eigenanteil, der liegt etwa bei 200kr. Das geht aber nur bis zu einer Obergrenze von 2600 kr im Jahr, darüberhinaus ist der Arztbesuch kostenlos. Es gibt auch eine Befreiung von Kosten für chronisch Erkrankte.
Was für einen Deutschen extrem nervig ist, das ist die sogenannte Fastlegeordning. Man bekommt einen festen Hausarzt zugeteilt, kann den aber auch wechseln zu einem anderen Arzt, so dieser freie Kapazitäten hat. Wie auch immer, der Fastlege ist immer die erste Ansprechperson, man kann sich keinen Termin bei einem anderen Arzt besorgen, alles muss über den Fastlege gehen. Spontan geht meistens gar nichts, braucht man einen Arzttermin, dann muss man gleich morgens um 9 in der Praxis anrufen, und mit Glück bekommt man sogar einenTermin noch am gleichen Tag...
Viele norwegische Ärzte sind bei der Arbeit ähnlich engagiert wie ein grosser Teil ihrer Landsleute in anderen Berufen. Man könnte es auch als LMAA-Einstellung bezeichnen. Lieber ein paar Allroundpillen verschreiben als wirklich herausfinden wollen, was dem Patienten fehlt (Icke Forelle kann darüber ein mehrstrophiges Lied singen). Bei uns sind fast alle als gut bekannten niedergelassenen Ärzte komischerweise auch Ausländer (Afghaner, Polen, Deutsche, Schweden).
Ganz schwach ist das System für Leute, die auf Operationen warten. Die Wartelisten sind lang, Krebspatienten sterben nicht selten, bevor sie überhaupt eine Behandlung bekommen haben. Wobei auch das nicht unbedingt nötig wäre, das Gesundheitssystem bezahlt in solchen Fällen auch Behandlungen im Ausland, nur wie die Norweger halt so sind... viele vertrauen auf nichts, was von ausserhalb der norwegischen Landesgrenzen stammt.
Zahnarzt ist für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren gratis.
Alle anderen müssen den Zahnarzt zu 100% aus eigener Tasche zahlen. Ausnahme: Zahnbehandlung in Folge eines Arbeitsunfalles und bei Diagnosen von Krankheitsbildern, die zu Problemen mit der Zahngesundgeiht führen.
Bezahlt wird das alles über Steuern, eine gesonderte Krankenversicherung in diesem Sinne gibt es nicht. Der Anteil für das Gesundheitssystem, den jeder in Form von Steuern erbringt, liegt bei 7,8% vom Bruttolohn, deutlich weniger als der Krankenkassenbeitrag in Deutschland. Das relativiert die Sache mit dem Zahnarzt wieder.
Es ist hier im Übrigen nicht so wie in Deutschland, dass man aus der Krankenversicherung herausfallen kann, wenn keine Beiträge entrichtet werden. Einmal im System, bleibt man da bis an sein Lebensende, egal wie viel oder wenig man einzahlt, selbst wenn man gar nichts mehr einzahlt.
Ansonsten sind die Kliniken auf modernem Niveau ausgestattet, die Behandlungsmöglichkeiten an sich sind überwiegend die gleichen wie in Deutschland, nur das das ganze System eben so strukturiert ist, dass es ineffektiv arbeitet. Naja, darin unterscheidet es sich aber auch nicht vom Rest Norwegens.