Im März 2013 war ich für 14 Tage auf Kuba, natürlich hatte ich auch Angelzeug dabei, sozusagen als Notfallausrüstung. Während der Rundreise gab es nicht viele Gelegenheiten ans Wasser zu kommen oder mit einheimischen Anglern ein paar Worte zu wechseln. Wo das doch möglich war, sah ich meist Kinder mit Handleinen am Wasser stehen.
Vom Reiseleiter war zu erfahren, dass es kaum einen Handel mit Angelbedarf gibt, wenn dann sehr teuer und für die normale Bevölkerung unerschwinglich.
Kurz darauf traf ich auf einen Jungen, der mir stolz einen kleinen Wels präsentierte und als Ausrüstung nur einige Meter Schnur und zwei Haken vorwies. Kurz entschlossen habe ich mein gesamtes Gerödel dem kleinen Kubaner geschenkt. Der Junge freute sich sichtlich und war sofort von mehreren Kindern umringt. Ich hoffe, dass aus dem Jungen mal ein guter Angler wird, der sich gern an den unbekannten Deutschen erinnert. Zumindest wird es ihm und seiner Familie helfen, die Mahlzeiten mit dem ein oder anderen Fisch zu bereichern.
Meine chronische Unterfischung wurde nicht besser und da kam es mir gerade recht, dass in einem Hotel mehrere Flyer für eine Hochsee-Angeltour warben. Kurz entschlossen buchte ich ein Boot für den nächsten Tag.
Der Skipper und sein Gehilfe waren sehr freundlich und erzählten von großen Fischen, welche auf ihrem Boot schon gefangen worden sein sollen.
Wir brauchten etwa eine Stunde durch die endlosen Flachwassergebiete und Mangroven, ehe die Kante zum tiefen Wasser erreicht war. Unterwegs kamen wir an kleinen Angelbooten mit Einheimischen vorbei, welche ausnahmslos die Handleine benutzten.
Unser Schleppangeln wurde ziemlich einfach praktiziert, eine Rute mit Wobbler auf einigen Metern Tiefe und weitere Ruten mit Kunstköder oder totem Köderfisch an der Oberfläche weit hinter dem Boot.
Mehrmals hatte ich Bedenken, dass sich hungrige Seevögel auf den Köder stürzen, doch im letzten Moment erkannten sie den Betrug und drehten ab.
Über dem tiefen Wasser dauerte es nicht lange, bis sich die Wobblerrute verneigte und mich veranlasste im "Kampfstuhl" Platz zu nehmen. Der Fisch machte an der Leine ordentlich Druck und nach unendlichen Minuten (meine sagte später, dass es nicht mehr als fünf waren) kam ein ansehnlicher Großaugenthun an Bord. Alle freuten sich riesig und der Rapala durfte wieder auf Tauchstation gehen. Kurz darauf versuchte ein etwas kleinerer Artgenosse den rostigen Drilling zu verspeisen.
Es folgte eine ganze Stunde an Schlepperei, ohne dass sich eine Rute bewegte.
Der Skipper zeigte mir dann auf dem Wasser eine Gruppe Fregattvögel, die über einer Stelle kreisten, dort müssten Fische sein. Also Kursänderung und mehrere Kreise dort mit dem Boot gezogen.
Ich hatte mich mittlerweile von meinem Platz erhoben und beobachtete die vielen fliegenden Fische um das Boot herum, als sich die 50-lbs Rute tief verneigte und die Penn-Multirolle laut kreischte. Sofort war die Bestzung zur Stelle, ich verkeilte mich im Stuhl und habe versucht die Sache unter Kontrolle zu bringen. Leichter gesagt, als getan.
Mein Gegenüber zerrte wie wild und ging auf Tiefe, von Schnurgewinn keine Rede. Wieder verstrichen unendlich lange Minuten und ich versuchte durch Pumpen einige Meter Schnur zu gewinnen. Das klappte schließlich, bis sich ein Drillverhalten einstellte, was ich bislang so noch nicht erlebt hatte. Es wurde plötzlich und mit Urgewalt wieder Schnur von der Rolle gezerrt, dann war der Widerstand plötzlich weg und dann wieder Schnur von der Rolle genommen.
Langsam gelang es mir, den Fisch in die Nähe des Bootes zu dirigieren und er müsste eigentlich schon zu sehen sein. Doch plötzlich war die Besatzung ganz aufgeregt, deutete aufs Wasser und redete von einem großen Fisch.
Ich freute mich riesig, da es mein erster großer tropischer Fisch werden sollte. Nur der ließ sich wie ein Stück Holz drillen, gänzlich ohne Gegenwehr, halt nur schwer.
Etwa 10 Meter hinter dem Boot kam dann kreisend etwa Helles zur Oberfläche, mein Fisch oder das, was von ihm übrig geblieben ist.
Der vorher mehr als einen Meter lange "Kingfish" war kurz hinter der Rückenflosse einfach durch gebissen, glatt abgetrennt. Die feinen Streifen auf der Rückenpartie deuteten auf mehrfache Angriffe eines anderen Räubers hin. Es bleibt offen zu spekulieren, wer denn nun den etwa Oberschenkel starken Fisch halbiert hat. Das Mitleid der Besatzung und meiner Frau war mir garantiert.*eek*
Der etwas später gefangene Barracuda konnte mich ein wenig trösten.
Sofort hatte ich die Geschichte vom alten Mann und dem Meer im Kopf, nur meine Geschichte heißt nun: "Der alte Mann und der halbe Fisch".
Grüße vom Heulbutt