Es ist windstill, in der Luft liegt der Duft des Nadelwaldes im Frühling. Von der anderen Seite des Sees höre ich das Gackern der Birkhühner, in der Ferne der Schrei eines Luchses. Es ist Mitternacht, aber hier, knapp 400km südlich des Polarkreises, wird es gegen Ende Mai nicht mehr richtig dunkel, es ist nur eine Dämmerung. Das ist die richtige Zeit zum Forellenfischen.
Ich warte darauf, einen Fisch beim Jagen beobachten zu können. In diesem See gibt es nur sehr wenige Fische, weil es keine natürliche Reproduktion gibt, alle Forellen hier gehen auf lang zurückliegende Besatzmaßnahmen zurück. Sie zu befischen gleicht fast der Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. Daher warte ich auf die Gelegenheit, einzelne Fische zu lokalisieren, um sie dann ganz gezielt befischen zu können.
Ich sehe einen Ring an der Oberfläche, schon fast in Wurfweite, dann noch einer, jetzt schon deutlich näher. Ich werfe den kleinen kompakten Wobbler genau an die Stelle, zu der der Fisch gleich kommen müsste. Biß! Kräftige Gegenwehr, der Fisch springt aus dem Wasser, aber nach ein paar energischen Fluchten liegt er im Kescher. Eine fette Bachforelle, die bei 50cm knapp 3 ½ Pfund auf die Waage bringt. Die Mühe hat sich also gelohnt. Für mich jedenfalls gibt es kein schöneres Fischen in Norwegen, als das ruhige und beschauliche Angeln auf wunderschöne Bachforellen inmitten einsamer Natur.
In Norwegen ist die Bachforelle die wohl häufigste und am meisten verbreitete Fischart überhaupt, es gibt sie in fast jedem Gewässersystem. Aber in dem meisten Seen wird man nur sehr selten Fische jenseits der Kilomarke an den Haken bekommen, in sehr vielen Gewässern gibt es kleinwüchsige oder verbuttete Bestände. An der leichten Spinnrute macht eine 30cm-Forelle natürlich auch Spaß, aber natürlich möchte jeder Angler auch mal einen größeren Fisch fangen.
Der wichtigste Schritt dazu ist also erstmal, das richtige Gewässer zu finden. Bei den Seen in Norwegen gibt es zwei verschiedene Typen, wobei der Übergang zwischen diesen Typen natürlich fließend ist. Zum einen gibt es den Waldsee im Reich von Elch und Auerhahn. Er ist umgeben von Wald und Moor, das Wasser ist bräunlich gefärbt. Das ist tendenziell der Gewässertyp, in dem man mit grösserer Wahrscheinlichkeit auf eine ungeheure Anzahl von kleineren Forellen trifft, und in dem grössere Fische nur selten zu fangen sind.
Zum anderen gibt es die Seen im Fjell, also in den Bergen oberhalb der Baumgrenze, wo Rentier und Schneehuhn leben. Hier ist das Wasser meist glasklar, die Bestandsdichte der Fische meist geringer, während die Fische im Durchschnitt grösser sind.
Unglücklicherweise sind die Seen im Fjell oft nur sehr schwer zu erreichen, sie sind abgelegen und es ist beschwerlich, sie zu erreichen. Daher wird man als Urlaubsangler doch eher Bekanntschaft mit den Waldseen und ihren kleinen Forellen machen. Aber auch hier lassen sich größere Fische fangen, wenn man gezielt zu Werke geht.
Welchen Köder nimmt man am besten in den beiden Typen von Seen? Die grösseren Forellen in den Waldseen haben in ihrem Leben wohl fast alle schon mal Bekanntschaft mit dem einen oder anderen Kunstkder gemacht und sind dementsprechend vorsichtig. Ich nehme daher am liebsten einen Köder, der von den Norwegern so gut wie gar nicht verwendet wird: einen kleinen Wobbler. Die Einheimischen fischen zumeist mit Wurm, und wenn sie Kunstköder verwenden, dann zumeist Spinner, seltener auch Blinker. Aber mit kleinen und Kleinstwobblern fischen sie so gut wie nie.
Ein Wobbler mit 2-4gr stellt natürlich spezielle Anforderungen an das gesamte Gerät, damit sich mit ihm auch noch die erforderliche Wurfweite erreichen lässt. Und daran scheitern schon die allermeisten. Für die meisten norweger ist eine 0,25mm dicke monofile Schnur schon feines Zeug, tatsächlich ist das aber schon viel zu stark, um mit so leichten Ködern zu fischen. Ich gehe nicht über 0,15mm, eine Rolle mit weich ansprechender Bremse ist dafür aber Grundvoraussetzung. Auch die Rute muss passen, je feiner, desto besser. Allerdings darf sie auch nicht zu kurz sein, um an Seen die nötige Wurfweite zu erreichen. Dazu ist eine kurze Teilung von vorteil, eine Rute, die sich im Rucksack verstauen lässt, hat grosse Vorteile, wenn man sich beispielsweise kletternd oder durch dichtes Unterholz im Gelände bewegen muß.
Ich verwende daher eine 2,80m lange, 4-teilige Rute mit einem Wurfgewicht von 4-14gr. Die Rolle sollte wie gesagt eine ruckfrei arbeitende Bremse haben und leicht sein, einer grossen Schnurkapazität bedarf es dagegen nicht.
Es gibt aber natürlich nicht nur einen bestimmten Köder, der unter allen Umständen die Wunderwaffe ist. Unter bestimmten Umständen ist ein Blinker wesentlich effektiver, weshalb man griundsätzlich ein breiter gefächertes Sortiment on Spinnködern dabeihaben sollte. In den Seen der Fjellregion sind Wobbler sogar eher selten die beste Alternative, hier fische ich überwiegend mit Blinkern, manchmal auch mit Spinnern.
Bei den Wobblern kommen unterschiedliche Modelle zum Einsatz. Ist viel Pflanzenwuchs im Gewässer, fische ich mit Schwimmwobblern, was sich aber wieder stark zu Ungunsten der Wurfweite auswirkt. Sind grössere Weiten erforderlich, verwende ich zunächst einen sinkenden 3cm langen Rapala Fat Rap, der erstaunlich weit fliegt. Reicht auch das nicht aus, dann habe ich als Geheimwaffe immer noch einen 8gr Vims, der eigentlich als Meerforellenköder gedacht ist, was aber die Bachforellen scheinbar nicht wissen.
Mitunter ist es aber erforderlich, noch weiter zu werfen. Dann fische ich mit einem Spirolino und dahinter mit einem kleinen Schwimmwobbler. Hört sich ungewöhnlich an, funktioniert aber manchmal ganz ausgezeichnet. Allerdings erfordert das schon wieder eine etwas kräftigere und vor allem längere Rute.
Beim Fischen mit kleinen Wobblern haben viele das Problem, daß sich die Schnur beim Wurf in den Drillingshaken verfängt. Das muß aber nicht sein, meist ist die Ursache ganz schlicht und ergreifend, daß der verwendete Karabinerwirbel zu schwer ist. Das wiederum führt dazu, daß sich der Schwerpunkt des Köders dahingehend verändert, daß der Wobbler mit dem Kopf voran fliegt und die Haken zwangsläufig mit der Schnur in Berührung kommen. Um das zu verhindern, könnte man den Wobbler mittels eines Schlaufenknotens direkt an die Schnur binden, was natürlich im Falle eines Köderwechsels unpraktisch ist. Ich benutze seit einiger Zeit die sogenannten Micro-Wirbel der Firma Owner. Die sind erstaunlich klein und leicht, aber dennoch sehr stabil. Leider sind sie nicht überall zu kriegen, man sollte sich beizeiten damit eindecken.
Die beste Zeit zum Forellenfischen ist im Frühjahr, unmittelbar, nachdem das Eis geschmolzen ist. Die Fische stehen jetzt meist tiefer, weshalb ein kleiner, kompakter Blinker bei mir die erste Wahl ist. Erst wenn sich das Wasser etwas erwärmt hat, und die Fische sich durch Ringe an der Oberfläche verraten, greife ich bevorzugt zum Wobbler. Mitunter sind die Fische derart gierig, daß sie den eingeworfenen Schwimmwobbler schon wie eine Trockenfliege mit einem Sprung an der Oberfläche nehmen, noch bevor man den Köder überhaupt in Bewegung gesetzt hat.
Nicht alle Waldseen haben einen gleich dichten Forellenbestand, einige Seen haben nur eine geringe Reproduktion, andere gar keine. An solchen Seen sind die Chancen, einen grossen Fisch zu haken, ungleich größer. Am besten erfragt man solche Dinge vor Ort, da, wo man auch den Erlaubnisschein kauft. Angelscheine gibt es meist an Tankstellen oder leinenren Lebensmittelläden zu kaufen, und oft findet sich dort auch jemand, der einem die gewünschten Auskünfte geben kann. Die Erlaubnisscheine sind übrigens erstaunlich günstig, man sollte auf jeden Fall einen solchen haben, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, kontrolliert zu werden teilweise gegen null tendiert. Das gebührt einfach der Anstand, den man als Gast in einem anderen Land immer haben sollte.
Seen mit geringer Reproduktion lassen sich auch oft am fehlen von größeren Bächen erkennen, die die Forellen als Laichgewässer brauchen. An solchen Seen gibt es oft nur kleine Rinnsale, die eben nur wenigen Fischen die Möglichkeit zum Ablaichen bieten.
Auf einigen Erlaubnisscheinen ist auch vermerkt, an welchen Gewässern der Bestand durch Besatz aufrechterhalten wird. Das sind alles Seen, an denen man schon eher mit größeren Fischen rechnen muss.
Allerdings gibt es auch in Seen mit kleinwüchsigen Beständen immer den einen oder anderen Fisch, der es geschafft hat, als Nahrungsspezialist wesentlich größer zu werden als seine Artgenossen. Meist ist Kannibalismus die Ursache dafür, mitunter spezialisieren sich einige Fische auch auf ganz andere Nahrung. Einmal fing ein Angelkollege von mir eine schöne Forelle von knapp 2 Pfund, die schon beim Hakenlösen die halbverdauten Überreste eines Frosches auswürgte, beim Ausnehmen kamen die kaum noch erkennbaren Überreste von 4-5 Mäusen ans Tageslicht. Solche Fische lassen sich natürlich auch gezielt befischen, zum Beispiel durch die Verwendung von entsprechend großen Ködern. Das setzt allerdings viel Geduld und Ausdauer voraus.
Tagsüber findet man die Fische eher in der Nähe von tieferem Wasser, in der Dämmerung dagegen findet man sie auch im Flachen direkt am Ufer.
Wenn das Wasser im Sommer noch wärmer wird, stehen die Fische wieder in tieferem Wasser, oder sie suchen strömungsreiches Wasser auf. Jetzt sind Bacheinmündungen Top-Plätze, nicht selten findet man sogar viele Fische direkt in den einmündenden Bächen, die teilweise so klein sind, dass man darin niemals Fische vermuten würde. In den Bächen selbst ist der Schwimmwobbler als Spinnköder unschlagbar. Er läßt sich an Stellen anbieten, die mit andern ködern unereichbar sind, beispielsweise kann man ihn mit der Strömung unter überhängende Bäume treiben lassen.
Wer etwas mehr Ehrgeiz hat, der sollte es an einem Bergsee im Fjell versuchen. Die Atmosphäre auf dem Fjell ist einzigartig, das sollte man einmal erlebt haben. Allerdings setzt ein solches Vorhaben schon ein Minimum an körperlicher Fitness voraus. Nicht selten sind stundenlange Wanderungen mit steilen Anstiegen nötig, um an die besten Gewässer zu kommen. Die meisten Leute, die hier zum Fischen gehen, bleiben aber nicht nur für einen Tag, sie übernachten auf dem Fjell. Das wiederum macht eine mehr oder weniger aufwändige Outdoorausrüstung nötig, die sicher nur wenige Angler haben. Zelt, Schlafsack, Gaskocher, Kompass, Karte,Verpflegung, dazu die entsprechende Kleidung (auch im Sommer kann es hier Schnee geben), und das alles noch so leicht wie möglich, damit man das alles auch noch problemlos im Rucksack mitbekommt. Diese Art, die Natur zu erleben, ist in Norwegen sehr populär, und wer das einmal erlebt hat, der weiss auch, warum.
Das Fischen an den Seen im Fjell ist schon etwas anderes. Die Fische sind extrem scheu, man muß sehr bedacht zu Werke gehen. Nur selten kommt man den Forellen so nahe, daß man sie mit einem Schwimmwobbler befischen könnte. Hier werden vor allem Blinker verwendet, vom klassischen kupferfarbenen Modell bis zu den kleineren Ausführungen des Möresilda sollte man ein kleines Sortiment dabeihaben. Auch Spinner des Typs Panthermarin, die sich weit werfen lassen, sollten dabei sein.
Die Forellen findet man in den Fjellseen nicht in den Flachwasserzonen. Man sucht am besten Uferzonen auf, die relativ schnell abfallen, und an denen große Steine im Wasser liegen., die den Forellen Deckung bieten.
Die Fische springen einem hier wirklich nicht freiwillig in den Kescher. Es gibt hier oft Tage, an denen sie sich beim besten Willen nicht zum Biß bewegen lassen, egal, welchen Köder man anbietet. Und dann kommt der Biß doch wie der Blitz aus heiterem Himmel, ein Fisch der 2-Kilo-Klasse an der leichten Ausrüstung ist Adrenalin pur. Ein solches Erlebnis fernab jeglicher Zivilisationsgeräusche gehört für mich zu den Höhepunkten im Leben eines Anglers.