Torsvag 2007 - Wer sagt, dass man Heilbutt nicht anfüttern kann?

  • Kalter Schweiß perlt auf meiner Stirn. Seit mehr als 2 Stunden plagt mich dieses flaue Gefühl im Bauch. Im Takt der Dünung hebt und senkt sich mein Magen samt noch verbliebenem Inhalt. Eine vollkommen neue Erfahrung für mich. War ich doch nach sehr vielen Tagen bei wesentlich ungemütlicherem Wetter auf See fest der Annahme, dass mein Körper für jegliche Symptome der Seekrankheit vollkommen unempfänglich sei.
    Weit gefehlt!
    Wir dümpeln jetzt zu zweit seit ungefähr drei Stunden in unserem offenen Hansvik Boot vor der traumhaften herbstlichen Kulisse der Insel Vannoya, 2.500 km vom heimischen Haus und Hof entfernt.

    Etwa 80 Stunden zuvor war ich allein morgens um 3.00 Uhr in der Nähe von Berlin gestartet und hatte mich zunächst über Rostock – Gedser und Helsingör – Helsingborg bis nach Oslo gekämpft. Dort wartete meine erste Schlafstätte auf mich, eine komfortable Wohnung meiner Tochter, die zu dieser Zeit einen einjährigen Aufenthalt in Oslo genießen durfte. Bei einer Flasche Wein gab es bis in die tiefe Nacht hinein sehr viel zu erzählen.
    Früh am Morgen des nächsten Tages ging es dann nach einer Tasse Kaffee auf die zweite Etappe meiner Tour. Sie führte mich nach etwa 700 Kilometern durch die längst vertraute norwegische Natur an den Skarnsund. Doch ich war keineswegs hier, um in diesem bekannten Angelrevier meine Köder zu baden! Das hatte ich bereits ein Jahr zuvor in einer ebenso unvergessenen nächtlichen Aktion erledigt, in der einige schöne Witlinge ihr Leben ließen und uns am darauffolgenden Tag gepaart mit einer großen Portion Pfifferlinge und Petersilienkartoffeln ein Leckeres Mittagessen bescherten.
    An den Skarnsund war ich gekommen, um unserer „Trolljenta“ für die kommenden 10 Tage den Mann zu entführen. Sie hat mir ihren Hein dann auch wirklich nur sehr ungern und unter leichtem Protest zu dieser Angeltour überlassen! Mein wirklich schlechtes Gewissen, dieses junge Glück zu stören, hielt ganz genau bis zum nächsten Morgen, denn da lockte gedanklich schon das Ziel der 3. und letzten Etappe meiner Reise – Vannoya. Hier sollte er nach über 30 Norwegentouren dann endlich in Erfüllung gehen, der Traum vom Fang eines Heilbutts!

    Jetzt hier auf diesem schaukelnden Boot zahle ich den Preis für nur wenige unruhige Stunden des Schlafs in den letzten 3 Nächten und die Belastungen einer insgesamt etwa 40-stündigen Autofahrt, inkl. rund zehnstündiger Begleitung eines arg müffelnden Trampers auf dem Rücksitz meines Autos - immer wieder werde ich vom Würgereflex übermannt.

    Getreu dem Motto „ein Indianer kennt keinen Schmerz“ bade ich tapfer meinen 300 Gramm schweren Gummifisch über einem kleinen Plateau auf einer Tiefe von ca. 40 Metern. Bis auf einen kleinen Lumb hat sich trotz meines kräftigen „anfütterns“ noch kein Fisch für unsere Köder interessiert.

    Bei leichter Drift öffne ich den Freilauf der 12er Tiagra und lasse den integrierten Bleikopf des Gummifisches, der an einer 30 Pfund Spiderwire hängt, hart auf den sandigen Grund aufschlagen. Noch während ich den Köder etwa 5 Meter über Grund anhebe gibt es unvermittelt einen kräftigen Schlag, der den Blank meiner 30 Pfund Sportex Magnus bis ins Handteil durchbiegt. Es folgt eine rasante Flucht, bei der mein noch unbekannter Gegenspieler etwa 30 Meter Schnur gegen die gut eingestellte Bremse von der Multirolle zerrt. Mit einem kurz und knappen über die Schulter geworfenen Ausruf „Butt“ verleihe ich dann meiner Vermutung Ausdruck, wer sich da den Gummifisch gegriffen haben könnte!

    Nach und nach kann ich die ersten zehn bis zwanzig Meter Schnur zurück auf die Rolle holen. Die Bewegungen des Fisches sagen mir – es hängt kein Monster, keine „Tischplatte“ am Haken, aber dennoch ein ganz ordentlicher Fisch, zudem sehr wahrscheinlich mein erster Butt, da spielt die Größe ohnehin eine eher untergeordnete Rolle!
    Mitten in diesen Gedanken während des Drills erschlafft plötzlich die Schnur. Eine lautes „Schxxxxx ausgeschlitzt“ schallt über den Fjord.
    Langsam straffe ich die Schnur und versuche direkten Kontakt zum Gummifisch zu bekommen, der irgendwo ohne den ersehnten Fisch im Mittelwasser taumeln müsste.

    So unvermittelt, wie ich den Kontakt zum Fisch verloren hatte, war er plötzlich wieder da!

    Die nächste Flucht meines Butts ließ die Enttäuschung über den vermeintlichen Verlust schlagartig verschwinden! Übelkeit und Schlafdefizit waren in diesem Augenblick kein Thema mehr. Alles was zählte, war die sichere Landung dieses Fisches!

    Nach 5 Minuten taucht er zum ersten Mal direkt am Boot auf, in genau der Art und Weise, wie ich es viele Male zuvor auf Videos bestaunen durfte – Kopf voran , den Körper leicht durchgebogen und den Schwanzteil in einem spitzen Winkel nach unten gerichtet, bestätigt der marmorierte Flachmann meine Vermutung – ein guter Heilbutt – endlich !!!

    Auch wenn es keinesfalls nötig gewesen wäre, so bitte ich Hein dennoch, diesen Fisch mittels der mitgeführten Harpune „zu sichern“! Als hätte er in seinem Leben bisher nichts anderes getan, trieb Hein dann auch mit dem ersten Versuch dem Flachmann den Stahl genau an der perfekten Stelle durch den Körper. Trotz einer letzten verzweifelten Flucht gelang es dem Butt danach nicht mehr zu entkommen und nach weiteren 5 Minuten lag er im Boot!

    Überglücklich, nach ungezählten Stunden der erfolglosen Jagd nach diesem Phantom konnte ich nun wieder ruhig atmen und genoss es einige Minuten den Fisch zu betrachten.

    Die Ergebnisse des anschließenden Messens und Wiegens ergaben 17,5 kg bei 117 cm Länge!

    Schon am ersten Angeltag dieser Tour hat sich damit mein Traum erfüllt. Die Filets des Fisches wandern eine Stunde später, nach einigen Fotos im noch ungeteilten Zustand, in den Kühlcontainer der Anlage von Torsvag und anschließend falle ich am helllichten Tag für die nächsten 6 Stunden in einen traumlosen Schlaf.

    Diesem wunderschönen Tag folgten weitere tolle Erlebnisse auf dem Wasser rund um Vannoya. Neben strammen Dorschen, schönen Schellfischen und einem Seeteufel, fing auch Hein noch einen Butt. Leider ist ihm noch ein wirklich guter Fisch nach einer nicht zu bremsenden ersten Flucht vom Haken abgekommen.

    Zum „Anfüttern“ bin ich an den kommenden Tagen dann nicht mehr gekommen, wahrscheinlich blieb es deshalb bei diesem einen Heilbutt für mich!

    Diese Tour hat sich ganz tief in meine Erinnerungen eingebrannt, auch, aber nicht nur wegen des ersten Butts! Das Gesamterlebnis lässt diesen Trip, mit der sehr speziellen Flora und Fauna weit nördlich des Polarkreises, zu einem unvergesslichen Abenteuer werden.

    So haben wir „ganz nebenbei“ mit der Ernte auf einem natürlichen Pfifferlingsfeld für die Beilage zum Mittagsmahl von 14 Leuten beigetragen! Ein Minkwal drehte etliche Minuten seine Bahnen um unser Boot, Seeadler zogen ihre Kreise über unseren Köpfen, Robben tummelten sich in Reichweite unseres Bootes spielend im Wasser und auf der Rückfahrt konnten wir mehrere Lachse und Meerforellen beim Laichaufstieg in einen kleinen Fluss nördlich von Narvik beobachten. Was für tolle Erlebnisse – Wahnsinn!

    Danke an alle, die direkt oder indirekt am Erfolg dieser Tour beteiligt waren! Der Koch der „Dorsch Max – Truppe“, die zur gleichen Zeit in der Anlage Torsvag weilte, hat uns stets zuverlässig mit leckerem Essen versorgt. Es gab sehr nette Gespräche mit Klaus und Wolfgang, einen tollen Hüttenabend mit Sonja und Björnar bei leckerem geschmorten Schweinebraten, einer super Fischsuppe und einigen Bierchen ...

    Einen speziellen Dank richte ich an Sonja, die uns eine tolle Gastgeberin war und natürlich an Hein – Alter das schreit nach Wiederholung! Nur den Trampertypen lassen wir beim nächsten Mal am Straßenrand stehen!

    Einige der angehängten Bilder stammen aus Heins Kamera und die Rechte dafür liegen bei ihm.

  • [quote='Story','http://umzug.norwegen-angelfreunde.de/forum/index.php?thread/&postID=563#post563']ANGEBER !!!

    :biglaugh:

    Wieso Angeber? Kennst doch bisher nur die von mir gefangenen Fische!:D

    Was Dein Vorhaben mit dem größeren Butt anbelangt - fahr einfach mal mit den richtigen Leuten auf so eine Tour, dann klappt das auch! Ich sage nur "Sail", "schönstes Wetter", "Marlin" ...:p

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