Das rhythmische Wogen der auflaufenden Flut an den hellen Sandstrand unterbricht die faszinierende Stille dieser Mittsommernacht. Unter die Gischt mischt sich zudem immer mal wieder das ächzende Geräusch der Bremse meiner kleinen 1000er Stradic.
Es ist der Morgen des 22. Juni 2008 um 01.30 Uhr und ich stehe hier an einem der einsamsten Plätze dieser Welt etwa 2.500 km von der Heimat entfernt und kann immer noch nicht fassen, was sich in den letzten 60 Minuten an diesem kleinen Strand der isländischen Westküste abgespielt hat.
Die Sonne taucht mit gleißendem Licht bereits wieder hinter den vergletscherten Gipfeln der erloschenen Vulkankette am Horizont auf und verleiht dem auflaufenden Wasser einen schweren bleifarbenen Glanz.
Was für eine Kulisse! Welch tolles Land, dessen Natur trotz der oberflächlich betrachteten Kargheit dem Auge des aufmerksamen Betrachters so viele Farben zu bieten hat. Ja und was für ein dieser Umgebung gerecht werdender Gegenspieler, der mit all seinen Möglichkeiten schon einige Minuten zu verhindern versucht, seinem Element entrissen zu werden!
Der Fisch zieht beharrlich weiter die 0,10 er Fireline von der Rolle und der Blank der viel zu leichten Spinnrute nickt bedrohlich bei jedem Kopf- und Schwanzschlag meines Gegenüber.
Ich weiß bereits mit wem ich es am anderen Ende der Leine zu tun habe! Es ist ein etwa 7 Pfund schwerer blanker Silberbarren, der seit ca. 10 Minuten wütend und entschlossen versucht den Haken meines Kunstköders abzuschütteln.
Der schwarze Schatten war meinem silbernen Toby Blinker in pfeilartiger Geschwindigkeit aus tieferem Wasser bis 5 Meter vor die Strandlinie gefolgt und hatte dort ohne ein Anzeichen von Argwohn den Köder genau in dem Moment gepackt als ich ihn aus dem Wasser heben wollte. Die Meerforelle reagierte auf den unerwarteten Widerstand mit drei bis vier spontanen Salti und Schrauben und zog dann ohne jegliche Unterbrechung in einem Augenblick 70 Meter Schnur von der Rolle.
Vollkommen deckungsgleich haben sich schon die fünf anderen Fische verhalten, die ich innerhalb nicht einmal einer Stunde an diesem Meerforellentraumstrand haken durfte.
Während der Fisch weiter um sein Leben kämpft schweifen meine Gedanken weit zurück in die „gute alte Zeit“, als ich vor etwa 30 Jahren, ausgerüstet mit dem neuesten „RilehRex“ Modell, 0,30er „Leska“ Schnur und einem Germina Vollglasknüppel, viele Fische an den Außenküsten der Insel Rügen fing. Doch so sehr ich gedanklich in meinen Erinnerungen wühle, mir fällt beim besten Willen kein auch nur annähernd vergleichbares Angelabenteuer beim Küstenspinnfischen ein! Das hier und jetzt ist etwas ganz Besonderes in meinem Anglerleben!
Lautes Platschen ruft mich zurück in die Gegenwart. Der Fisch stemmt sich oberflächennah mit verzweifelten Schlägen seiner kräftigen Schwanzflosse unmittelbar vor meinen Füßen gegen sein Schicksal. Geduld und Erfahrung während des sanften Drills haben jedoch ihre Spuren hinterlassen und mit geschwundenen Kräften taumelt die schöne Forelle nun benommen in den Wogen der Brandung. Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages werden von der silbernen Flanke des Fisches stark reflektiert und spätestens in diesem Moment wird mir die Bedeutung der Bezeichnung „Silberbarren“ noch einmal bewusst.
Es ist soweit, jetzt volle Konzentration, denn die zweite sehr kritische Phase neben dem unmittelbaren Moment nach dem Anbiss, bei dem sich 90 % der Fische aus dem Wasser schrauben, die Landung kann nun beginnen. Völlig spartanisch ausgerüstet, ohne Wathose, ohne Kescher und mit viel zu leichtem Gerät, welches wie zuvor beschrieben noch durch ein 1,5 Meter langes und 0,22 Millimeter starkes Fluocarbonvorfach ergänzt wird, ist es ein vergleichsweise schwieriges Unterfangen den Fisch zu stranden. Zwei Fische gingen bei dieser heiklen Aktion bereits verloren.
Doch die Brandung, die zuvor noch das Angeln behinderte, weil ich mangels passenden Schuhwerks wegen jeder Welle weit auf den Strand zurückweichen musste, ist jetzt mein Verbündeter. Die nächste Woge rollt heran und deren Schwung ausnutzend ziehe ich mit konstant kräftigem Zug den Fisch hoch auf die Düne!
Das Wasser zieht sich brodelnd und schäumend zurück und gibt den Blick frei auf den prachtvollen Fisch. Angestrahlt von der schräg einfallenden Sonne liegt er ruhig da, der Silberbarren, ein wahrer Schatz für jeden Petrijünger! Einen kurzen Moment lang läuft mir ein Schauer über den Rücken. Ein triumphales Gefühl ergreift Besitz von mir, nicht zu beschreiben für einen „gesunden“ Menschen, der nicht vom Virus befallen ist.
Doch der menschliche Urinstinkt des „Beute machens“ weicht blitzschnell dem Verstand, denn es gibt keine Chance, dieses Tier einer sinnvollen Verwertung zuzuführen. Im Kühlschrank warten ja noch einige Verwandte – Bachforellen und Saiblinge, der Fang des Vortages, auf ihre Zubereitung . Ich befeuchte in der nächsten Welle meine Hände und befreie den Fisch von den zwei festsitzenden Flunken des Drillings. Ohne Rücksicht auf meine bis zu diesem Moment sorgsam vor dem Salzwasser geschonten Schuhe führe ich den Fisch zurück zur Strandlinie und entlasse ihn in sein vertrautes Element.
Jetzt ist es Zeit ins Bett zu gehen, um einerseits dieses Abenteuer zu verarbeiten und um andererseits den offenbar vorhandenen Fressrausch der Meerforellen nicht schamlos und unverantwortlich auszunutzen!
Ob nun als „Dank“ dafür, dass ich diesen Törn auf seinem Höhepunkt abgebrochen habe, oder einfach nur, weil mir der Zufall einen ganz besonderen Fangplatz in die Hände spielte, durfte ich im Anschluss noch zwei weitere vergleichbare Nächte an dieser „Silberküste“ erleben, dann war es Zeit weiterzuziehen um den Westteil des sagenhaften Island(es) besser kennenzulernen.
Die Fakten zur Tour:
- abschließend geplant im September 2007; keine Angelreise!
- den Flug aus Deutschland gebucht bei Iceland Express, Direktflug Berlin Schönefeld – Keflavik und retour zum Preis von ca. 320,00 € p.P.; 20 kg Freigepäck p.P. + 10 kg Handgepäck, Rutenrohr mit einer Länge von 1,60 m ging ohne Probleme mit;
- die Desinfektion der einen mitgeführten Spinnrute war am Flughafen Keflavik innerhalb von 5 Minuten erledigt und kostete 3.500 isländische Kronen (ca. 30,00 €);
- erstaunlich und inkonsequent war für mich, dass nur die Rute desinfiziert wurde, die zwei kleinen mitgeführten Stationärrollen und die Köderbox waren für die Beamten vor Ort völlig uninteressant, auch auf explizite Nachfrage!;
- den Mietwagen aus Deutschland über „expedia“ bei „Hertz“ gebucht, uns hat für 2 Personen ein Toyota Yaris für 11 Tage zum Preis von ca. 700,00 € mit unbegrenzten Kilometern zzgl. 80,00 € Vollkasko (ohne Glasbruchschäden!!!) völlig ausgereicht, der hat auch auf den zahlreichen Schotterpisten über insgesamt ca. 1.800 km artig seinen Dienst verrichtet;
- die Treibstoffpreise sind mit denen in Deutschland vergleichbar,
- die Lebensmittel sind z.T. erheblich teurer, dennoch gibt es in den Supermärkten eine gute Auswahl auch an frischem Obst und Gemüse und was der Mensch sonst so in einem individuell geplanten Urlaub benötigt;
- aus Deutschland haben wir nur die erste Nacht in Reykjavik und die letzte in der Nähe der blauen Lagune fest und direkt übers www bei den Betreibern gebucht;
- den Rest der Zeit sind wir nur einer grob geplanten Route gefolgt und haben uns treiben lassen, unser nördlichster Punkt war Akureyri, wir haben einen Teil der Westfjorde und die Halbinsel Snaefellsnes gesehen;
- es war kein Problem, jeweils eine gute und saubere Unterkunft zu finden, wie das im Juli/August aussieht – keine Ahnung! Hilfreich bei der Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten ist auf jeden Fall ein spezieller Übernachtungsführer, der in jedem Touristeninfobüro erhältlich ist;
- ebenfalls in diesen Büros oder an großen Tankstellen bekommt man die Berechtigungskarte für 32 Angel-Binnengewässer, die in Hand einer Genossenschaft über ganz Island verstreut sind, dazu gibt es eine Broschüre, in der die Gewässer jeweils ausführlich beschrieben sind; die Kosten für das ganze Jahr betragen 5.000 IKr (etwa 42,00 €)
- ich selbst habe in 5 dieser Gewässer gute Fische gefangen, allerdings erfordern die ganz heißen Plätze auch auf Island ein großes Maß an Eigeninitiative bei der Vorbereitung. Fast ausnahmslos alle erfolgreichen Binnengewässer sind in Privatbesitz, um dort zu angeln, muss man den Besitzer kontaktieren und Gebühren für die Angelberechtigung an ihn bezahlen. Darüber hinaus ist bei derartigen Vorhaben ein geländegängiges Allradfahrzeug erforderlich;
- die gesamte Tour über 11 Tage hat mit allem Drum und Dran etwa 2.000 € pro Nase gekostet, das geht sicher auch preiswerter, wenn man sich auf einen oder max. zwei Plätze und die Angelei beschränkt, allerdings hat es dieses Land, ebenso wie Norwegen, verdient, dass man sich dort nicht nur den Fischen widmet!
Stück für Stück stelle ich hier demnächst noch einige Bilder zur Tour ein. Fragen aller Art beantworte ich gern, so ich es denn kann und ich nicht nach ganz konkreten Angelplätzen gefragt werde!
P.S. Ich hatte gestern schon an einem wesentlich umfangreicheren Bericht gearbeitet, leider ist beim Einstellen dann irgend etwas schief gelaufen und alles war verschwunden. Ich hoffe, die „Kurzfassung“ vermittelt Euch dennoch einen guten Eindruck dieser unvergesslichen Tour!

Island - ein Traum in blau, rot, weiß eine anglerische Offenbarung
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Ein "Stückchen" Silber von der isländischen Westküste:
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Eine ebenso spannende Angelei bieten die zahlreichen und phantastisch gezeichneten Forellen der unzähligen isländischen Binnengewässer:
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Viele isländische Binnenseen beherbergen Forellen und Saiblinge gleichermaßen. Auch für diese ansehnliche Strecke haben dem Angler knapp 90 Minuten Angelzeit genügt:
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Jetzt geballt einige landschaftliche Impressionen:
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Bei über 700 Fotos geht einem das Material nicht so schnell aus:
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Soweit für heute, weitere Bilder werden demnächst folgen und eventuell küßt mich auch noch einmal die Muse und ich kann Euch noch eine weitere kleine Episode meines Islandabenteuers schildern!
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Wau Henrik glückwunsch zum Silber was für schöne Fische
Dein Bericht auch wenn im zweiten anlauf einfach perfekt, wenn man liest hat man das Gefühl dabei zu sein, einfach nur geil
Die Bilder die ich bis jetzt gesehen habe und bestimmt auch die da noch kommen werden, werde ich verschlingen. Einfach Traumhaft
So und nun weiter mit info's und Bilder
bin jetzt richtig
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Henrik,
ich glaube, den ersten Bericht hätte ich nicht verkraftet...
Schon die "abgespeckte Version" ließ mich im Geiste neben Dir stehen.
Auch die Fotos stellen neben glücklichem Fänger auch eine
wunderschöne Natur dar.
Freue mich auf weitere Bilder von der Insel im Nordmeer.
Gruß
Heiko -
Danke Andreas, danke Heiko, den Autor freuts natürlich, wenns Euch gefällt! - o.k. einen hab ich noch, einen hab ich noch ...:
Wie beschrieben - 1. Biss, 2. Drill, 3. zur Landung auf die richtige Welle warten und 4. mächtig freuen! -
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