Wie gesagt, mein Leidensweg begann, ich wußte doch NICHTS !
Ich wußte nicht, das Ralf und Hardy nie weniger als 8 Stunden im Boot
saßen, das Norwegen Mitte Mai doch noch recht kalt ist, das es auch
mal regnet, das die Uhren irgenwie falsch gehen
(oder geht die Sonne falsch ?)
und das große Fische aus der Tiefe ARBEIT bedeuten !
Fakt war, ich habe mir den Hintern zuerst platt und dann wund
gesessen in diesem dämlichen fest montierten Plasikschalensitz.
Zum Angel raushalten war eine ziemlich unnatürliche Körperhaltung
angesagt, aber was solls, ich mußte da durch.
Klamotten hatte ich so das übliche hannoversche Schlechtwetterzeug
eingepackt, dazu mein alter Reitermantel (gestiftet vom Land
Niedersachsen), der ging schön über die Knie. Aber so'n Körper ist
ja mehr als nur Knie!
Mann, hab ich gefroren. Die normale Pilklockbewegung wurde durch die Vibration
der Finger (Zitter!) noch unterstützt.
Wenn ich, der Ballast aus Boot 1, dann mal leise anmerkte, dass ich
kurz vorm Erfrieren bin, wurde hinter mir geantwortet "Ach, komm, eine
Drift können wir noch !" Zwei gegen einen, als guter Demokrat beugte
ich mich demütig (und frierend) der Mehrheit. Und es wurde IMMER
mehr als "ooochnurnocheineDrift". Feine Freunde...
Und dann mal der Blick auf die Uhr - war ja noch hell. PANIK -
es war eine Stunde nach Mitternacht !
Das Pilken war gar nicht so langweilig, denn ich hatte
ja immer NEUE Hänger.
Nach zwei Tagen hatte ich aber den Bogen raus und hatte statt immer
nur Norwegen auch schöne Fische am Haken.
Wir hatten keine Karte, kein Echolot, und trotzdem ging es ganz gut
ab. Die Köhler und Pollack hatten meist so um die 5 kg, also richtig gut.
Zu meiner Schande muß ich gestehen, dass ich mich an meinen ersten Fisch gar nicht
mehr erinnere - ich weiß nur, dass ich seitdem fürs Süßwasserangeln versaut bin.
Erste Anerkenntnis meiner Ausbilder bekam ich, als ich die Methode
des "Horizontpunktesuchen" zum Finden eines besonderen
Unterwasserberges einführte und wir so die Stelle auch ohne
norwegische Boote immer wieder fanden.
War so'n Schlagwort: Wo die norwegischen Boote stehen, ist Fisch.
Hat Torsten einmal zu einem Scherz verleitet. Einer aus der Gruppe
hatte die Angewohnheit, aus verschiedenen Gründen die Angelstelle
zu verlegen, auch wenn man gerade eben endlich "unten" war. (Fahr
da mal rüber zu den Norwegern, da ist bestimmt Fisch) Nervte total !!!
Torsten also rübergerufen : "Name", fahr mal da rüber, beim Norweger
ist bestimmt Fisch!". "Name" wurde gleich unruhig und drehte sich um -
der "Norweger" war die Fähre ! Großes Gelächter auf dem Fjord.
Eine weitere "Hochhol-Macke: In einem anderen Boot wird ein starker Fisch gedrillt. Er dann
immer "Angeln hoch" und rangefahren zum Glotzen. Dass die Schraube in
die Schnüre kommen könnte, war ihm piepegal.
Wieder Torsten: Bindet unbemerkt so ca. 7 kg Blei an die Rute, läßt langsam
runter und schreit plötzlich auf >> die Rute krumm wie HulaHup-Reifen -
anscheinend ein Kapitaler!
"Name" beißt auch an, beide holen ein und fahren zum Ort des kapitalen Drills.
Als er noch 10 m weg ist, holt Torsten den Bleiklumpen hoch und sagt "April, April" -
"Name" fährt seitdem nicht mehr mit! Ist aber auch kein wirklich großer Verlust.
Unser Torsten - er schaut uns ja jetzt immer von oben beim Angeln zu
- hatte noch andere Döniken im Kopf, aber es sei nun genug.
Nee, einer noch: Ich habe Zugriff zu Schießscheiben, deshalb (zwischen zwei mörderischen Bäuerchen)
"Heiko, hast du ein paar Pappkameraden für mich?" -
"Wieso, Torsten, reicht Dir Deine Gummipuppe nicht mehr?"
Zurück zum Wesentlichen:
Eines abends kehrten wir von Fangfahrt zurück, laue Nacht, noch
keinen Bock zum Hochgehen. Meine beiden Mitstreiter, an diesem Tage
mal nicht die beiden Irren aus "Boot 1", wollten aber nicht mehr.
Fischgeile Landratte Heiko also das Boot wieder losgemacht und
vorsichtig in die Mitte der Bucht zu den Heringen gefahren. Hatte bis
dato noch NIE mit Booten zu tun, rudern ist mir seit ich Laufen kann
ein Greuel und Motorboote kannte ich nur aus "Flipper" !
Dann schnell noch von Ralf ein Vorfach geliehen und mit .45er Leine
auf die Heringe gestürzt. Was 'ne einmalige Gaudi. Runterlassen und
plopp-plopp-plopp-plopp waren die Haken bestetzt. Zwischendurch
auch mal die eben gehakte Heringscrew durchrutschen lassen, könnte
ja was drunter sein.
War es auch !
Wenn man gerade so seinen Heringsspaß hat und dann so'n
7-kg-Dorsch einsteigt, werden die Augen des Rutenhalters doch
recht geweitet. Die Schnur hielt, mein Gaff schlug ein und ich war
fertig mit die Nerven.
Ralf und Hardy im Nachbarboot fanden, ich sei ein guter Schüler.
Ich fand das auch.
Irgendwann war der Maurerkübel 3/4tel voll, es wurde kalt. Wir fuhren
zu den Anlegerleinen. Feierabend ! Feierabend ? -Denkste-
Jetzt kam ein richtiges Problem für mich: ich hatte doch N U L L
Erfahrung mit so 'nem motorgetriebenen schwimmenden Untersatz.
Das Anlegen war bestimmt für jeden Beobachter eine tolle Show. Wenn
mich ein Norweger gesehen hätte, ich wäre des sofort Landes
verwiesen worden.
Ich mußte mich langsam und unbedingt zielgenau mit dem Bug
(is > vorne !!!) an die Boje bugsieren, nach vorne springen und
Ankerleine mit Gaff aufnehmen, Karabiner einhaken, zurück nach
hinten hechten und dort auch schnell festmachen.
Meine größte Angst war, zu schnell anzufahren und das Boot an
der Hafenmauer zu versenken.
Deshalb habe ich wohl so fünf bis sechs Anläufe gebraucht, jeder mit
langsamster Fahrt und äußerster Präzision durchgeführt, leider eben
im Abschluß nicht die nötige Vollendung - aber dann war ich stolz wie
Bolle - geschafft !
Damit war der Abend aber nicht beendet. Nach einer Schlacht müssen
die Toten ja auch geborgen werden.
Kurzum: ich angele NIE wieder auf Hering!
So gegen 4.30 Uhr morgens hatten wir den letzten Hering eingefroren !
Und die Schuppen- überall Schuppen, Schuppen, Schuppen, finde
heute noch welche in den Ecken meiner Messerkiste.
Mein Direx lag schon in der Koje, ich hatte mächtig einen im Hacken
und mußte -leise, leise- in mein oberes Etagenbett klettern. Nach
angeln auf dem Meer jetzt noch alpine Kunststücke.
Hut ab, sagte ich mir, Norge bietet wirklich was !
Eines abends fiel mir auf, dass noch eine Bootsbesatzung fehlte.
Wir waren an diesem Nachmittag bei Regenwetter zur legendären
Lachsfarm vor Valevag gefahren, dort aber nichts gefangen.
Hardy und ich also noch mal den warmen Schal umgeschmissen
und Rettungsfahrt eingeleitet.
Wie das denn so ist: zu wenig Sprit, erstmal umfüllen, dann raus mit
unserem Plasiksprinter.
Endlich sahen wir das Boot mit den drei fehlenden Anglern. Sah
irgendwie aus wie tiefergelegt. Fuhr gaanz langsam. Wir hin, wollten
helfen, war aber nicht nötig, war soweit alles in Ordnung - bis auf die
Köhler im Boot. Es war fast randvoll !
Was war passiert ? Als wir beschlossen, die Lachsfarm zu verlassen,
hatte Eddi einen Knotentüddel. Nach dem Enttüddeln hat er zur
Schnurstraffung noch mal runtergelassen - und da ging der Tanz los.
Handys waren noch nicht so verbreitet, daher konnten sie uns nicht zurückrufen.
Wieder so eine lange Nacht, wieder fließbandfiletieren bis die Messer
glühen. Und nicht nur filetieren - der Kütt mußte weggebracht werden
und neue Fische aus dem Boot zum Haus gebracht werden. (Dabei
darf ich eigentlich gar nicht arbeiten - bin doch Beamter !)
Finde übrigens bis heute, das schönste am Angeln ist das filetieren
(außer Lumb).
Dann mal wieder an unserem Berg, plötzlich geht da irgendwie nichts
mehr - Hänger - Hopps, nee, bewegt sich - also dann mal hoch damit.
Nur einmal vorher haben mir die Arme so weh getan, wie nach
glücklicher Landung des Fisches (als ich mal einen halben Tag lang
Estrich auf einen Balkon geschaufelt habe).
Das "Ding" kommt hoch, zeigt weiß und Ralf schägt zu: Gaff ins Maul
und kräftig ziehen...
- schwupps, lagen da 11 kg Seeteufel im Boot. Hatte ich doch eben
mal unseren bisherigen Anglerkönig von Thron geschubst.
Also wirklich, bei aller Häßlichkeit, aber die Augen von einem Seeteufel
sind einfach fast unschlagbar schön, nur Rochenaugen sind schöner.
Die Schönheit verging schnell, weil ein Brutalinski den Fischbonker
nahm und dem Seeteufel das Licht ausblies.
Beim Drill des Teufels hatte ich das Gefühl, ich habe eine große
Karstadttüte am Haken.
Ich verließ Norwegen also als König ohne Krone, aber nun mußten die
mich ja nächstes Jahr wieder mitkarren - ob sie wollten oder nicht!
Welch schöner Ausblick !
Irgendwann ist alles mal vorbei.
Freitag abend nach den letzten Vorbereitungen zur Abfahrt am
nächsten Morgen wollte ich nur noch alleine sein.
Männer weinen eben heimlich, ich am kleinen Hafen sogar unheimlich !
Dann kam Ralf noch dazu und wir beide haben uns erstmal beide
richtig ausgeheult.
(mir tritt eben gerade wieder das Wasser in die Augen).
Seitdem sind wir Freunde für's Leben.
DANKE, Ralf - für A L L E S
Die Rückfahrt verlief ohne weitere Höhepunkte.
Einmal war jedoch mein (tr)(n)euer Freund Ralf etwas verstimmt:
Irgendwo in der Nähe von Aabenraa (DK) warf ich beiläufig ein, dass
ich im nächsten Jahr eine Gitarre mitnehmen werde.
Ralf darauf: "Ach, du kannst Gitarre speielen ?" "Nee," antwortete ich,
"aber du hast ja dieses Jahr auch deine Brandungsruten mitgehabt!"
Ich gebs zu, etwas zweideutig, aber so hatte ich es auch gemeint.
Ich freue mich schon jetzt wie ein Wahnsinniger auf den nächsten
Besuch in Norwegen...
Es grüßt alle Leser
Der BALLAST aus Boot 1 / Heiko
PS: Was man in Norwegen so erlebt, fühlt, erleidet - keine Worte
können dies richtig ausdrücken - mache jetzt Schluß und gehe
schon wieder los, um Taschentuch zu holen......
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