Mai-Mythos Mörrum (2008)
Rückblick
Der Mörrum-Virus wurde bei mir schon in der Kindheit implantiert. Jedes Jahr fieberte ich dem kleinen „Napp & Nytt“ Katalog der Firma ABU entgegen, in dem regelmäßig Lachsgiganten von über 50 Pfund abgebildet waren. Immer wieder fand sich der Name der Mörrum unter diesen Bildern, und ich wünschte mir nichts mehr als einmal solch einen kapitalen Salmoniden zu fangen.
Mein Vater nahm Anfang der 80er immerhin einen großzügigen Umweg auf dem Weg nach Värmland in Kauf, nur damit ich den Fluss einmal in natura zu sehen bekam. Am liebsten hätte ich sofort dort losgeangelt, doch die Kartenpreise lagen für einen Schüler in schwindelerregenden Höhen und freie Karten wären ohnehin nicht zu bekommen gewesen…
So dauerte es bis 1996, bis ich im Katalog von Vögler´s Angelreisen von der hoteleigenen Strecke des Hotels Walhalla las. Die Preise für die Tageskarten waren moderat und direkt über den Reiseveranstalter buchbar, die Übernachtung mit Frühstück erschwinglich. Tanja und ich buchten uns für eine Maiwoche ein, fischten hart und hörten den weltweit unter Lachsanglern bekannten Spruch: „Ihr seid zwei Wochen zu früh!“ Die Lachse waren im Fluss – aber an den unteren Pools der Mörrum und nicht kurz vor Svängsta… Oft fuhren wir an der damaligen Assi Domän Strecke vorbei und wurden Zeugen spannender Drills und glücklicher Fänger. Überwältigt von den Eindrücken stand unsere Entscheidung schnell fest: nächstes Jahr wollen wir hier unten fischen!
So erlebten wir 1997 bei optimaler Wasserführung von 25 Kubikmetern ein Traumjahr für die Mörrum live mit und fingen, damals noch mit der Spinnfliege, unglaubliche Fische. Tanja mit einem Fisch von 112 cm und 16,2 kg plus einem gut 7 kg schweren Exemplar, ich mit einem Lachs von 106 cm und 13,7 kg.
Was unweigerlich dazu führte, dass wir auch 1998 wieder am Fluss standen – dieses Mal gab es einen feinen Fisch von 108 cm mit 14,2 kg, Tanja verlor am letzten Tag leider einen wirklich Kapitalen.
Im Jahre 2000 fand unser nunmehr vierter Trip statt, ebenfalls Ende Mai. Diesmal wurden wir von Trockenheit und Niedrigwasser eingeholt, zum Ende unserer Woche rieselte die Mörrum mit schlimmen 9 Kubik durch die Pools. Unser Besuch blieb lachslos, aber wir lernten die Pools besser kennen und trainierten intensiv mit unseren neuen Zweihand-Fliegenruten.
Die letzten Jahre schweiften unsere Urlaube in Richtung Meeresangeln ab, und trotz einiger Auenbesuche vermisste ich doch das Fischen an einem „richtigen“ Lachsfluss. Schaute immer wieder einmal auf die Fangstatistiken von http://www.morrum.com und erfreute mich an den Bildern der glücklichen Fänger. Sollten wir nicht wieder einmal…?
Winter 2007/ 2008
Im Dezember treffen wir während einer Veranstaltung in Lübeck auf Rolf Heiland, seines Zeichens Deutscher Pressesprecher für die Mörrum. Wir schwelgen in Bildern vom Fluss und Erinnerungen. Schnell fällt die Entscheidung: wir wollen endlich mal wieder hin!
Schon im Februar erhalten wir nach der Auslosung der Lizenzen eine Bestätigung über zweimal sechs Tageskarten, vom 25.05. bis 30.05. dürfen wir unsere Fliegen in Blekinge zu Wasser lassen! Aber was nun, Hunde wie unser mitreisender „Paddy“ sind im Hotel „Walhalla“ aus allergenen Gründen nicht erlaubt?
Nach tatkräftiger Unterstützung durch unseren Freund Thilo Weiß von Angelreisen Hamburg finden wir ein feines Ferienhaus beim Reiseveranstalter Wolters Reisen (http://www.tui-wolters.de): ein typisches gelb-weißes Schwedenhaus auf 4.000 qm Grundstück, bei Asarum unweit von Mörrum direkt neben dem See Lǻngasjön gelegen und nur 10 Minuten Fahrzeit bis zum Pool 1. Hund? Überhaupt kein Problem! Schnell gebucht und die Fähre Rostock – Trelleborg mit der Scandlines gleich hinterher.
Die Wochen vergehen mit diversen Einkäufen von Angelgerätschaft, schließlich waren wir acht Jahre mit den Zweihändern nicht aktiv am Fluss.
Mai 2008
Morgens 6:30 Uhr: wir rollen dank der gebuchten Kabine ausgeschlafen in Trelleborg bei blauem Himmel von der Fähre. Der schnellere Weg würde uns über Malmö nach Mörrum führen, wir aber entscheiden uns für den abwechslungsreichen Küstenweg über Ystad. Schließlich gibt es hier direkt neben der Straße einen tollen Badestrand, der wie früher ausgiebig inspiziert wird.
Die Straßen sind an diesem Samstagmorgen noch verwaist, und wir parken um 9:30 Uhr am Wasserfall Kungsfossen. Kaum aus dem Auto, begrüßt uns das Rauschen des Wasserfalls – wie habe ich dieses Geräusch vermisst!
Der erste Blick gilt natürlich erst einmal dem ausgelegten Blatt der Fangstatistik, ein Lachs mit 9,24 kg ging also schon um 5:50 Uhr aus Pool 1.
Es folgt das obligatorische Kungsfossen-Foto.
Schnell frische Brötchen im Konsum und zwei Pötte Kaffee in der Laxeria gekauft, setzen uns zum Frühstücken an den Steintisch am Pool 1 und schauen den Anderen beim Fischen zu. So bekommen wir auch den Drill des zweiten Lachses an diesem Tag live mit, denn ein Schwede landet um 10:40 Uhr zwischen Pool 1 und 2 ein feines 7,48 kg Weibchen.
Leider gelten unsere Karten erst ab morgen, so schlendern wir in den Angelladen Fiskeshopen, wo wir Lars Terkildsen antreffen und begrüßen. Ich benötige noch Backing und Runningline für meine Ersatzspule, was in diesem perfekt ausgerüsteten Laden aber kein Problem darstellt. Etliche andere Dinge des normalen Lachsanglerlebens finden ebenfalls den Weg auf die Kreditkarte.
Nun aber ab zum Haus, dank unseres Navigationssystems ist das Finden überhaupt kein Problem – aber auch die Anreisebeschreibung des Reiseveranstalters ist exakt.
„Paddy“ erfreut sich sofort an dem riesigen Grundstück, wir an dem rustikalen Schwedenhaus.
Nach dem Verstauen des Reisegepäcks geht es ans Zusammenbauen der Ruten. Wir strecken zuerst einmal Tanjas Runningline, schließlich liegen die letzten Berliner Übungswürfe doch schon wieder zwei Monate zurück.
Die Ausrüstung
Alles neu macht der Mai! Nach einem Wurfkurs letzten Oktober in Lübeck haben wir in neue Ausrüstungen investiert, so baut Tanja ihre Orvis Spey 14 ft. #9-10 Rute mit der passenden Orvis Battenkill VI Rolle zusammen, ich habe mir eine Guideline Le Cie 13,7 ft. #9-10 Rute mit einer Danielsson 8 twelve Rolle gegönnt. Für beide Kombos haben wir jeweils Ersatzspulen mit Guideline Schussköpfen Powertaper #10-11 in Floating sowie Float/Sink1 dabei, alle auf 34,5 gr. zugeschnitten. An das vordere Ende der Schussköpfe schlaufen wir noch die Polyleader 10 ft. in intermediate ein, das war´s schon. Die Ruten kommen auf unsere neuen Vakuum Rutenhalter, die wir extra für diesen Urlaub neu angeschafft haben – praktischer können wir die Ruten gar nicht transportieren!
Tanja war den Winter über fleißig. Nach dem Studium von Ulf Sills DVD „Lebendige Lachsfliegen“ hatte sie neben zahlreichen „Ullsocken“ (der bekanntesten Mörrumfliege überhaupt) auch zwei Dutzend „Beiß“-Fliegen gebunden.
Schnell noch die Watsachen für morgen parat gelegt, und wir genießen den Rest des Anreisetages. „Paddy“ hat heute seinen 11. Geburtstag, also erst einmal ein Genießerbad im 100 Meter entfernten See zu Feier des Tages, bevor wir es uns bei Sekt und Islay-Malt gemütlich machen!
Das Angeln
Der Wecker klingelt um 5:00 Uhr. Schnell frühstücken wir, schlüpfen in die Watsachen und fahren gen Mörrum – heute Vormittag haben wir die Nordstrecke zugeteilt bekommen. Unser Ziel sind Pool 29 und 30 zum Warmfischen, ich liebe diese beiden Pools - sie sind landschaftlich wundervoll gelegen und wenig besucht. So haben wir den 30er auch prompt für uns alleine, bestens!
Die Mörrum hat heute 15 Kubikmeter Wasserführung bei 15 Grad Wassertemperatur, so schlecht sind die Bedingungen nicht.
Tanja fischt sich vom Pooleingang aus an einen guten Lachs der 12 Kilo Klasse heran, der neben einem Stein mitten im Flussbett ständig buckelt (im Foto rechts mittig).
Drei Stunden fischen wir beide Pools immer wieder konzentriert durch, aber die insgesamt drei gesichteten Standlachse interessieren sich für keine der zahlreich angebundenen Fliegen.
Nachmittags befischen wir Pool 1, es zupft weder etwas am Haken noch zeigt sich Fisch.
Abends packen wir unsere Spinnruten aus, schließlich gelang es Tanja heute vor genau 11 Jahren, ihren dicken Lachs am Pool 2 zu landen. Tatsächlich wälzen sich auch zwei Lachse in direkter Wurfweite vor unseren Rutenspitzen. Aber die Spinnfliegenmontage mit leichtem 15 Gramm Stabblei und 3,20 Meter Vorfach arbeitet bei dieser Wasserführung absolut schlecht – nach dem Besuch einer trächtigen Katze, einigen Hängern und einem feinen Sonnenuntergang packen wir die Spinnruten ein und werden sie den Urlaub über nicht mehr herausholen.
Nächster Tag: heute Morgen geht es an Pool 32, dem nördlichsten sprich ersten Pool der „alten“ Sveaskog-Strecke (oberhalb unserer Strecke befinden sich noch die neuen Abschnitte „Vittskövle“ und „Knaggalid“, für die es aber eigene Kartenkontingente gibt). Hier oben am 32er finden wir dank der überhängenden Buchen und ruhig fließenden Mörrum eine märchenhafte Idylle vor, ab über die Hängebrücke zur anderen Uferseite und losgefischt.
Unter dem überhängenden Baum sehen wir mehrmals einen Lachs buckeln – kein Wunder, dass die Einheimischen gezielt den gegenüberliegenden Uferbereich abfischen.
Auch direkt unter der Hängebrücke, rechts neben der Mauer, sichten wir mehrmals einen kapitalen Fisch.
Doch trotz viermaligen konzentrierten Durchfischens des 32ers passiert rein nichts, lediglich ein dynamischer Hänger in der Flussmitte sorgt für einen kurzen Adrenalinschub. Also über die lustig wippende Brücke, die auch Paddy mutig überquert, zurück zum Auto und ab zum Pool 15. Schließlich kommen dort die frischen Fische zuerst durch!
Als wir ankommen, packen gerade drei andere Fliegenfischer zusammen. Wir haben freie Platzwahl, und während ich die erste Steinbuhne am Pooleingang hinauswate, wählt Tanja den Stein vor der Holzbrücke – keine 10 Meter stromab vor ihr zeigt sich ab und an ein guter Lachs, den sie intensiv befischt.
Nach weiteren zwei Stunden schmerzen die Glieder, die Konzentration lässt nach. Zeit für ein paar Stillleben-Fotos und ein Bier.
Wir freuen uns über unsere neuen Simms Watschuhe mit der Aquastealth Gummisohle, sie haben hier im Pool – auch ohne Watstock – besten Grip gehabt.
Nachmittags gönnen wir Paddy seinen Spaß im großzügigen Garten und genießen den blauen Himmel.
Ein weiterer Tag: wir starten morgens an der unteren Strecke, nehmen uns zuerst den Pool 1 von Whisky und Cognac Island aus vor und schlendern dann zu den Pools 5 bis 8 hinunter. Außer herrlichsten Wetters und herrlichst kühlendem Bier an der Laxeria gibt es keine besonderen Vorkommnisse, sodass wir nach einem Imbiss im Ferienhaus abends wieder am Pool 32 einfinden. Ich stehe gerade am Anfang des Pools und beginne zu fischen, da bekommt Tanja mit, dass 50 Meter oberhalb von uns am Ende der Vittskövle-Strecke ein Lachs gedrillt wird! Sie schnappt sich Videokamera und Spiegelreflex und rennt los. Als sie nach einer Weile noch nicht zurück ist, stelle ich meine Rute an einen Baum und finde mich neben Tanja ein. Der Drill dauert nun schon 40 Minuten, der Lachs zieht immer wieder zum anderen Ufer, sobald der Angler ihn zu sich gepumpt hat – das ist kein Kleiner!!!
Nach 50 Minuten gelingt es dem Freund des Dänen nach dem dritten Anlauf, den Großlachs zu landen. Fänger Allan aus Kopenhagen sieht ordentlich erschöpft aus, ist aber überglücklich! Wir machen ein paar Fotos von Fisch & Fänger:
Als wir die Fliege zu sehen bekommen, die diese Granate von einem Lachs genommen hat, verlieren wir den Glauben an das Fliegenbinden: auf dem kleinen Zwilling ist lediglich ein wenig dunkelbraune Wolle herumgewickelt, fertig!
Mit vereinten Kräften transportieren die Zwei den Lachs zur Wiegestelle.
Kurz darauf werden wir von einem offiziellen Aufseher von Sveaskog gebeten, unsere Lizenzen vorzuzeigen – nach all den Jahren Premiere für uns! Als wir nach ein paar erfolglosen Angelstunden auf dem Heimweg sind, stoppen wir noch kurz am Verwaltungsgebäude – wir sind neugierig, wie viel der Lachs auf den Rippen hatte. Das Fangjournal gibt 105 cm und 14,86 kg an, knæk og bræk Allan!
Auch ein Berliner war heute mit 6,1 Kilo im Pool 1 erfolgreich, können wir auf dem Blatt sehen.
Müde fallen wir gegen 0:30 Uhr ins Bett.
Nächster Morgen, ab geht es zuerst zum 30er und 29er. Keine Fischsichtungen, dies aber bei herrlichstem Wetter – wir können auch schlechter nichts fangen.
Mittags erst einmal ab in den Fiskeshopen. Nachdem ich mit Ulf über das Gewicht meines Schusskopfes geredet habe, steht fest: er ist viel zu schwer. Im Shop wird er mit fast 35 Gramm gewogen, also 75 cm für das passende Gewicht von 32 Gramm abgeschnitten – es wird sich als gute Entscheidung herausstellen.
Natürlich gehen wir nicht ohne vier neue Fliegen aus dem Laden – absolute Minituben, die mit Ken Sawada Zwillingshaken Größe 8 bestückt und durch ein kleines Stück Silicon-Schlauch verbunden werden.
Nachmittags stehen wir zuerst im Pool 1, und ich finde, wir haben schon um einiges an Wurftechnik zugelegt – spielend werden alle Ecken des Pools angeworfen.
Aber der Pool scheint fischleer zu sein, nirgends sichten wir auch nur eine winzige Flosse.
Abends finden wir uns am Pool 5 ein und fischen den Ausgang der Rausche von Pool 4 . Ulf sagte vorhin, wir sollen uns Plätze mit viel Sauerstoff suchen – gesagt, getan!
Hart gefischt, nichts gefangen, aber einen netten Kontakt gehabt (siehe „Gleichgesinnte“).
Vorletzter Tag, der Tag der Meerforelle (nfliegen). Nachdem uns die verschiedensten Leute gesteckt hatten, dass unsere Fliegen zu groß gewählt sind, greifen wir heute Morgen mit dem Muster aller Muster an – gottlob haben wir die Meerforellenboxen mit dabei!
Wir präsentieren unsere Red Tags zielsicher an allen Stellen des menschenleeren und um einiges Wasser gefallenen 15ers, aber der all die Tage herbeigesehnte Ruck bleibt wieder aus… Mittags befischen wir den Pool 17 gegenüber der Räucherei. Er lässt sich prima befischen, aber machen außer schönen Fotos keine weitere Beute.
Direkt am Pool 17 haben Victor und Corneli ihr Ferienhaus-Domizil, angemietet vom Vermieter Lars Terkildsen. Sie haben uns zum Grillen eingeladen, und es wird ein lustiger kurzweiliger Abend.
Das Haus ist strategisch bestens gelegen, mit direktem Blick auf Pool 17 und die Räucherei bietet es mit allem Komfort sechs Anglern Platz.
Pappensatt vom leckeren Grillfleisch und der Blaubeertorte als Dessert nehmen wir uns abends für zwei Stunden noch Pool 21 Ǻkroken. Wir sind weit und breit die einzigen Angler, die Fliegen fischen perfekt – aber einmal mehr umsonst…
Letzter Tag, wir wollen es noch einmal wissen!
Kommen am Pool 1 an, und wundern uns – kein einziger anderer Angler hier, wir haben den gesamten Pool für uns! Aber wir merken auch schnell, warum: nochmals ist das Wasser heruntergegangen, jetzt rieseln nur noch 9 Kubik den Fluss hinunter… Wir fischen die Anfangsrauschen des 1ers lange durch, teilweise mit nur sechs Metern Leine draußen. Es soll nicht sein.
Zu allem Überfluss stellen wir einen Schwarzfischer, der sich einfach zu uns in den Pool stellt.
Wir nehmen uns des vereinsamten Insulaners, der von Whisky Island kam, an – Tanja guidet ihn alsdann in professionellem Nixfang.
Noch ein schneller Schuss auf das Laxen´s Hus, anschließend gehen wir stromab zum 4er.
Leider haben wir nur noch 45 Minuten Zeit bis zum Streckenwechsel, und vor uns schleichen sich zwei unfreundliche Genossen den Pool fischend vor. Als der vor mir Fischende auch noch für fünf Minuten einen Lachs hakt und drillt, bevor dieser aussteigt („I lost six fishes this week!“), müssen wir schweren Herzens mitten im besten Pool aufhören. Der Lachs biss übrigens direkt unter dem Baum rechts im Bild.
Nachmittags fahren wir nach Karlshamn in einen der besten Fischläden, die wir überhaupt kennen – wenn schon nichts gebissen hat, wollen wir doch auf das Räucherlachsessen mit unseren Freunden daheim nicht verzichten! Und, sehen diese Lachs-Seiten nicht leckerst aus??? (Anmerkung: sie haben allen vorzüglich geschmeckt!)
Nachmittags im Garten komme ich auf die Idee, ein Foto von der Spinnfliegenmontage zu machen. Greife mir also die Rute und gehe zum Gartentisch. Ich lasse die Rute am Blank zu Boden rutschen - und spüre plötzlich ein kurzes Stechen im linken Ringfinger! Gelassen beschaue ich mir die Misere, der Drilling der Ullsocken-Tube steckt bis zum Widerhaken im Finger. Premiere nach 37 Angeljahren übrigens! Ich rufe zaghaft nach Tanja: „Du, kannst Du bitte mal kommen?“ Tanja naht, denkt ‚Was zeigt der mir die Fliege, die hab ich doch selbst gebunden?’ und will sie mir aus der Hand nehmen – „HAAALT!“ Nun ist sie doch ein wenig bleich - ich wahrscheinlich auch, mache erst mal dieses Foto für die Nachwelt.
Wir überlegen: an einer anderen Stelle herausdrehen und den Haken abkneifen? Wir entscheiden uns für das Rausreißen am Eintrittsloch. „Dr. Slick“ kommt zum Einsatz, und nach einem kurzen Ruck mit ein wenig Fleisch am Widerhaken ist das Problem ein gewestes – Pflaster auf die blutende Stelle, und ich bekomme endlich den von mir schon vorher als Betäubung eingeforderten Laphroaig, den mir Frau Dokor aber nicht genehmigte vor der Op.
Abends geht es zum Abschluss noch einmal an Pool 32, wo ich zwar keinen Fisch erwische, jedoch einige bizarre Wischfotos hinbekomme (ob das am Islay liegt?)
Gegen 22:30 Uhr packen wir zusammen, kurbeln die Schnur durch die Ringe. Am nächsten Morgen packen wir das Auto und putzen das Ferienhaus – noch bleibt Zeit für ein paar Innenfotos.
Wir besuchen noch schnell Rolf Heiland am Laxen´s Hus und rollen dann Richtung Fähre. Gegen 23:30 Uhr wird uns Berlin wieder haben.
Das war´s dann auch schon – unsere Mörrum-Saison 2008! Kein Biss, kein Drill, kein Fisch für uns. Das ist halt das Los eines jeden Lachsanglers. In dieser Woche gingen pro Tag maximal 2 Lachse in das Fangjournal ein, manchmal blieb das Blatt auch leer. Rund 180 Angler verteilten sich mit uns am Fluss, wir waren also in bester Schneider-Gesellschaft. Aber wir sind in keinster Weise traurig, die Eindrücke, das Wetter und die netten Kontakte haben uns eine erinnerungsreiche Woche beschert. Erinnerungen von damals kamen uns wieder zuhauf nach dem Motto: „Weißt Du noch, hier vor 10 Jahren?“
Und wir wissen schon vor der Abreise, die Mörrum sieht uns auf alle Fälle wieder!
Gleichgesinnte
Als tolle Dreingabe und positiven Nebeneffekt beim Lachsangeln empfinden wir jedes Mal den Kontakt und Austausch mit Gleichgesinnten. Sicherlich, auch an der Mörrum finden sich arrogante Fatzkes, welche weder zurückgrüßen noch sich für ein Fangkompliment bedanken, sondern nur selbstverliebt ihren Angelplatz besetzen. Aber überwiegend treffen wir auf herzliche und freundliche Leidensgenossen, die sich aus allen Teilen der Welt hier einfinden, um auf das Gleiche wie Du selbst zu hoffen: die aufkreischende eigene Rollenbremse.
Ulf Sill:
Seine „Beißflugor“ sind weltbekannt und werden in allen wesentlichen Lachsflüssen eingesetzt. Gottlob hat Sveaskog den leidenschaftlichen Lachsangler aus Flensburg als festen Mitarbeiter eingestellt – der richtige Mann am richtigen Platz! Ulf gibt nicht nur beste Tipps, welcher Pool und welche Fliege gerade fischig ist. Er kümmert sich nicht nur mit Liebe um die täglichen Dinge der Strecke. Ihn kann man nicht nur als einen der erfahrendsten Guides der Mörrum buchen. Manchmal fängt er auch einfach nur einen grandios guten Fisch! Und sei es nur an Pool 2 mit Spinner, wie es in der Wiegestelle an der Wand zu lesen steht. :grin: (mit lachendem Gruß an Ulf)
Rolf und Christopher Heiland:
Vater und Sohne Heiland haben für die Mörrum in Sachen Pressearbeit und Bekanntheitsgrad dieses Flusses mehr gemacht als jeder andere Deutsche! Seit Jahrzehnten kommen sie hierher nach Blekinge, ob nun mit Journalisten der Angelpresse oder einfach nur alleine zum Fliegenfischen. Beide sind zeitgleich mit uns vor Ort, und von ihnen können wir eine Menge über Fluss und Fische lernen. Leider kann Rolf dieses Jahr nach einer Operation nicht aktiv ins Geschehen eingreifen, aber sein Sohn Christopher drillt schon am ersten Angeltag einen Lachs im Pool 1, den er wegen zu kurzer Leine leider verliert.
Kaj Nilsson:
Wir sitzen bei einem Bier am 15er, da kommt Kaj vom Parkplatz herüber zu uns. Kaj kennen wir aus den 90er Jahren, er befischte mit uns damals Pool 2. Doch anstelle einer Angelrute hat Kaj zwei große Koffer, ein Fernglas und einen Teleskopstab dabei!? Wir kommen ins Gespräch. "Ach nein, mit dem Lachsangeln habe ich vor ein paar Jahren aufgehört. Ich fange jetzt lieber was anderes!" Sagt´s und macht seine Koffer auf - darin liegen hunderte von Fliegen. Kaj schaut mit seinem Fernglas in die Äste am Ufer, an denen wir Flugangler so einiges abgerissen haben. Mit seinem Teleskopstil, an dem oben ein Knäuel Monofiler befestigt ist, angelt Kaj die Fliegen vom Baum und verkauft sie an die Touris. Ins Geschäft kamen wir nicht, die Preise seiner second hand flies glichen annähernd denen im Fiskeshopen.
Lars Terkildsen:
Wer den Fiskeshopen in Mörrum und Karlshamn nicht kennt, hat definitiv gepennt (oder das falsche Tackle)! Erste Anlaufadresse sollte nach dem Kontor der Fiskeshopen sein, wo alle derzeit gängigen Fliegen neben kostenlosen guten Tipps zu finden sind. Dort findet man fast immer Lars an, welcher schon wahre Lachsmonster erfolgreich landen konnte – er hat es wirklich drauf, kennt die Mörrum und jeden einzelnen Pool wie seine Westentasche! Obendrein vermietet Lars das im Bericht beschriebene Haus am Pool 17. (http://www.fiskeshopen.com)
Allan Bloch:
Der Mitinhaber vom Fiskeshopen entwirft seit Jahren für den Hersteller Guideline hervorragendes Angelgerät selbst mit, welches auch wir mit Begeisterung fischen. Eines Abends am Eingang von Pool 5 unterhalb der Rausche am Westufer. Ich fotografiere Tanja, wie sie den Pool abfischt.
Aus dem Augenwinkel sehe ich einen Fliegenfischer schnellen Schrittes über die Brücke zu unserem Pool heraneilen. „Du, wir bekommen Besuch, da will einer bei uns fischen!“ raune ich Tanja zu. Wir begrüßen uns mit einem „Hei“, da fängt Allan in perfektem Deutsch an zu erzählen. Er hätte Tanja ein paar Minuten beim Underhandcast zugeschaut – warum sie sich das Leben so schwer mache und wie die Spinnfischer immer den Arm vor schiebt? (was absolut exakt auch mein Problem ist…) Allan stellt sich ins Wasser zu Tanja und zeigt, wie wir mit der Hebelbewegung leichter und weiter werfen können. 15 Minuten lang fachsimpelt er mit uns, dann schlendert er weiter zum Pool 4 – gratis Wurfkurs mit Allan, takk so mygge!
(Quelle: http://www.guidelineflyfish.com)
Cornelli & Victor oder auch Mister „I like 29!“:
Tanja und ich kommen an Pool 32 an, am Tisch sitzen bereits zwei Angler. Wir begrüßen einander nett, und kommen nach dem Durchfischen des Pools dank Paddy in ein erstes lebhaftes Gespräch. Cornelli, seines Zeichens belgischer Vize-Admiral der belgischen Marine und die letzten Berufsjahre vor seiner Pensionierung bei der Nato, fischt mit seinen 79 Jährchen genauso hart und konzentriert den Tag durch wie ein Jungspund. Victor, ein gebürtiger Argentinier aus Buenos Aires, lebt seit Jahren in Stockholm, hat sich für einen Monat ein Haus direkt am Pool 17 gemietet, fischt seit dem Saisonbeginn im April an der Mörrum und hat seinen Angelkumpan Cornelli kurzerhand für eine Woche dazugebeten. Die Beiden sind wirkliche Originale! Haben gemeinsam schon kleinere Flüsschen wie Rio Grande, Grand Cascapedia, Varzuga, Ponoi and so on befischt.
Da wir uns mit dem Rhythmus unserer Tageskarten weitgehend decken und auch die gleichen Pool-Vorlieben haben, begegnen wir uns ständig während des Fischens. Mit dem Schwinden des Mörrumwassers steigen unsere munteren Gespräche, auch ein gemeinsames Barbeque genießen wir Vier mit viel Lachen und Fachsimpeln (siehe Bericht).
Letzter Tag, wir sind vor der Laxeria verabredet. Wir kommen verspätet vom Pool 4 und sehen Victor strahlen. „What´s now, Victor?“
„Ooooh, you remember the prices for flies in the local shops here in Mörrum? You´ll pay 80 to 100 Kronor for one fly! And now I found those nice flies here in Laxen´s Hus for only 29 Kronor!! Oooooh, I LIKE 29!” Wir schauen auf den Tisch: da liegen mindestens 30 Tütchen mit kleinen Ullsocken, 69ern und Chillimps darin, während Victor mit verklärtem Blick jede einzelne Fliege in seine übervollen Boxen zu verstauen versucht.
Jeder für sich ein Original – und halt das I-Tüpfelchen unseres Lachsangelns.
(Text und Fotos: Tanja & Karsten Pfeiffer)