Meerforellenangeln auf Rügen
Drei Tage – zwei Sternstunden
Mein Atem faucht wie bei einer alten Dampflok, dieser Anstieg will einfach kein Ende nehmen. Jede kulinarische Sünde dieses Winters fordert jetzt ihren Tribut und die bittere Erkenntnis, einmal mehr mit einigen Kilogramm Übergewicht in das Frühjahr zu starten, hämmert mit jedem Takt des rasenden Pulsschlags in meinen Schläfen.
Ein verzweifelter Blick nach oben, noch 10 Meter, dann habe ich das obere Ende der Steilküste erreicht. Noch einmal kurz verweilen, tief durchatmen, die Angelrute in meiner linken und den Kescher mit der schweren Last in meiner rechten Hand neu ausbalancieren, den Hut aus der schweißnassen Stirn ein Stück in den Nacken schieben, dann bin ich bereit und nehme das letzte Steilstück in Angriff.
Völlig außer Atem setze ich den letzten Schritt über die Klippe auf sicheres Terrain.
Was treibt einen Menschen dazu früh morgens, ohne Kaffe und eine Mahlzeit im Magen, derartige Strapazen auf sich zu nehmen?
Meine Antwort auf diese Frage liegt glänzend im Netz meines Unterfangkeschers, drei wunderschöne Silberbarren!
Ein wenig Stolz und ein unbeschreibliches Kribbeln in der Magengegend machen sich in mir breit und verdrängen in wenigen Sekunden die Erinnerungen an den beschwerlichen Aufstieg.
Ich bleibe am Rand der Klippe stehen, drehe mich um und lasse den Blick über die herrlich raue Küste dieser Insel schweifen – Rügen – meine Heimat, für dich schlägt mein Herz, hier fühle ich mich wohl, hier ist mir vieles vertraut! Auch im heiß geliebten Norwegen gibt es nicht sehr viele Ecken, die es mit deiner Schönheit aufnehmen können!
Gute 50 Meter unter mir sucht mein Blick noch einmal das Revier ab, dass uns in den letzten drei Tagen zwei wahre Sternstunden der Mehrforellenangelei beschert hat, es hat alles gepasst – der Wind, die Temperaturen, das Gerät und nicht zuletzt die Beißlaune der Fische. Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort und das hat, wenn man 350 km von der Küste entfernt wohnt, einfach etwas mit Glück zu tun.
Vor drei Tagen nahm diese schöne und erfolgreiche Tour ihren Anfang, dort unten zwischen den großen Findlingen, etwa 2 Kilometer südöstlich meines derzeitigen Standortes.
Der Puls, der sich von den Mühen des Steilküstenaufstiegs soeben beruhigen wollte,
fängt bei dem Gedanken an die fulminanten Drills der Meerforellen des ersten Tages sofort wieder an zu rasen.
Auf dem ersten Abstieg zum Wasser hatte ich meinem Begleiter noch im Spaß gesagt, wenn die Meerforelle tatsächlich der Fisch der tausend Würfe ist, dann brauche ich nur noch zwei zu machen, denn auf meiner letzten 3-Tages-Tour im Februar hatte ich schon 998 erfolglose Würfe abgehakt.
Nun, es waren nach dem Einstieg in das etwa 4 Grad kalte Wasser nicht zwei Würfe, es waren genau fünf, dann war die Rute zum ersten Mal krumm und der erste Silberbarren hatte meinen kupferfarbenen Möre Silda Blinker voll inhaliert. Nach einem kurzen Drill mit zwei Sprüngen und drei kräftigen Fluchten glitt die erste Meerforelle der Saison in den Kescher.
Langsam mit der Beute zurück ans Ufer gewatet, wurde der Fisch dort versorgt. Der Anfang seiner Kariere als Fotomodell war zugleich Ende seines Lebens.
Nachdem alles geordnet, gesäubert und sortiert war, ging es dann erneut ins Wasser. Vor dem nächsten Wurf ließ ich meinen Blick über die Wasserlinie schweifen und zog dabei die würzige Luft tief in meine Lungen - was für ein herrlicher Frühlingstag, mit schönstem Sonnenschein und einem lauen Lüftchen. Das ist Balsam für die Seele nach diesem langen harten Winter. Mein Blick bleibt an einem etwa 60 Meter entfernten Punkt auf dem Wasser hängen, hier bricht sich kaum sichtbar immer mal wieder eine der kleinen Wellen. Ich vermute dort einen großen Stein, peile ihn an und werfe meinen 15 Gramm schweren Blinker genau in diese Richtung. Etwa 2 Meter vor dem anvisierten Ziel schlägt der Blinker ein, der Rollenbügel schließt sich und mit leichten Schlägen der Rutenspitze lasse ich den Blinker tanzen und taumeln. Nach nur etwa 5 Kurbelumdrehungen geht durch die Rute ein Schlag, als hätte der Blitz eingeschlagen und sofort fängt die Rollenbremse wild zu singen an. Eine rasante Flucht folgt der nächsten und der große Fisch schraubt sich immer wieder aus dem Wasser und versucht mit wilden Schlägen des massigen Kopfes den lästigen Haken des Blinkers abzuschütteln.
Steffen, mein Begleiter (und Organisator der Tour) ist inzwischen herbeigeeilt und versucht einen der gewaltigen Sprünge der Meerforelle im Bild festzuhalten. Leider hat die mitgeführte Kamera eine zu große Verzögerung bei der Auslösung, so dass ein erstes Foto des Fisches erst gelingt, nachdem er sicher im Kescher liegt.
Diesem traumhaften Fisch folgt dann innerhalb von nur 5 Minuten noch ein weiterer und auch Steffen fängt, nachdem er ebenfalls auf einen kupferfarbenen Blinker umgerüstet hat, noch zwei schöne Fische. Drei weitere Silberbarren sind kurz nach dem Anbiss wieder ausgestiegen und es gab einige Nachläufer. Das konnte allerdings diese Sternstunde der Meerforellenangelei für uns keinesfalls verderben. Alles was wir uns von dieser Tour erhofft hatten war praktisch schon am ersten Tag, unmittelbar nach meiner Anreise, in der Zeit zwischen etwa 15.00 und 16.00 Uhr erreicht. Dann drehte der Wind und der Zauber war vorbei.
Das Ergebnis an den beiden darauf folgenden Tagen war dann für mich sehr ernüchternd und schnell war ich aus dem siebten Anglerhimmel wieder zurückgekehrt in die Realität des „eintausend Würfe bis zum Erfolg Angelns“!
Ständig drehender und auffrischender Wind, ein Temperaturrückgang um fast 10 Grad und stark vom Kreideschlamm getrübtes Wasser ließen nur einen Aussteiger unmittelbar vor dem Kescher zu.
Dann kam der Tag der Abreise und es trieb mich noch einmal früh um 6.30 Uhr aus dem Haus. Am Vortag hatte ich einen guten Platz ausgemacht, an dem wollte ich bis zum Frühstück noch einmal die launischen Meerforellen herausfordern. Auch Henryk, ein weiterer Teilnehmer der Tour war an diesem letzten Morgen offensichtlich aus dem Bett gefallen, denn als ich den Strand betrat, stand er schon bis zur Hüfte im Wasser. Gemeinsam steuerten wir auf schwer begehbarem Geröll den 2 Kilometer entfernten vermeintlich fängigen Platz an.
Die Bedingungen hatten sich wesentlich verbessert, das Wasser war glasklar, der Wind ging in einer leichten Brise aus einer brauchbaren Richtung …
und dann verlief nach dem Einstieg tatsächlich alles noch einmal wie schon am ersten Tag … in weniger als einer Stunde konnte ich 3 gute Fische ans Ufer führen, einfach ein Traum!
Langsam setze ich mich, nun wieder zu Atem gekommen, von der Klippe aus in Richtung des Ferienhauses in Bewegung. Die Bilder der wild kämpfenden Meerforellen und das Geschrei der Möwen begleiten mich auf meinem Weg zu einer Tasse starken Kaffees und frischen Brötchen.
Auch diese Tour wird sich fest in meine Erinnerungen brennen, ich werde sie dort unter dem Titel „3 Tage – zwei Sternstunden“ abspeichern!
Danke an Steffen, Henryk und Vater sowie Björn – waren drei schöne Tage mit Euch!
Drei Tage - zwei Sternstunden
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Glückwunsch zu diesem wahrhaft tollen Angelerlebnis
Du hast es so einfühlsam u. fantastisch beschrieben als wäre man dabei gewesen
Gruß Friesenfischer -
Wirklich schön, lebendig und plastisch geschrieben - Vielen Dank !
Da braucht es ja fast keine Bilder. Ich frage aber trotzdem mal ganz frech - nach Bildern von "Land und Leuten" ;)!
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Gratuliation,
lass doch mal ein paar Bilder von den Schönheiten sehen. -
Moin,
einige Bilder hatte ich ja schon im thread von Tom69 "Mefobilder" hinterlassen, hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung: -
... hier noch einige Impressionen und Fische natürlich.:)
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Dank Henryk alias Haui kann ich Euch noch einen bildlichen Nachschlag von der größten Mefo des letzten Morgens liefern. Der Fisch konnte Dank Hauis Handy im Bild festgehalten werden. Danke Henryk!
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Zu diesen tollen Fängen möchte ich dir auch gratulieren.Ganz prima Fische.
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Zu den silbernen Schönheiten hatte ich dir ja schon gratuliert Lumbi! :p
Für den schön geschriebenen Bericht hole ich das jetzt nach! Anglerisch und "schriftstellerisch" eine ganz feine Nummer!
Danke dafür!
Servus
Tom -
Vielen Dank, für die Bilder, die den Bericht wirklich prima abrunden .
Ich kann nur sagen: "Hut ab und Petri Heil"!
Ich freue mich wirklich für euch mit und bin immer wieder echt erstaunt, was für tolle Fische man offensichtlich auch an den deutschen Küsten fangen kann.
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