Norwegische Meerforellen
Von den Norwegern liebevoll „die silberne Königin der Meere“ genannt, ist die Meerforelle einer der beliebtesten und begehrtesten Zielfische der einheimischen Angler, nur noch der Lachs übertrifft sie in der Gunst der Norweger. Überwiegend wird sie dabei während der Laichaufstiege in den Flüssen beangelt, aber darum soll es hier nicht gehen, denn genau wie an der Ostsee kann man die Fische auch mit der Spinnrute im Meer und in den Fjorden fangen.
Vor allem die Fjorde haben oftmals einen wirklich guten Meerforellenbestand, der relativ geringe Salzgehalt in den weit im Landesinneren gelegenen Fjordarmen kommt ihr dabei entgegen, zudem gibt es auch nach wie vor eine in Relation zur Ostseeküste riesige Anzahl von Bächen, kleineren und größeren Flüssen, die ihr als Kinderstube dienen. Allerdings gibt es auch vielfach eher kleinwüchsige Stämme, die selten die 60cm-Marke übersteigen. Daher ist die Durchschnittsgröße der Meerforellen in norwegischen Gewässern geringer als die der Ostseefische. Auch die Maximalgrößen sind kleiner, wenn auch der Unterschied nicht so gravierend ausfällt, an norwegischen Fjorden kann man mit Glück auch Fische jenseits der 80cm fangen. Das Mindestmass beträgt allgemein 35cm, in den beiden nördlichsten Verwaltungsbereichen Troms und Finnmark nur 30cm. Ich selbst entnehme keine Fische unter 40cm, und das wird auch so von den meisten Einheimischen praktiziert. Braune Fische werden auch hier wieder zurückgesetzt.
Benötigt man in Binnengewässern zum Fang von Meerforellen die staatliche Fiskeravgiftskort sowie den Erlaubnisschein des Fischereirechtsinhabenden, ist das Fischen im Salzwasser frei. Allerdings muß zu den Einmündungen der meisten Laichgewässer ein Mindestabstand von 100m eingehalten werden.
Betrachtet man die norwegische Küstenlinie, ahnt man schnell, daß es da Unterschiede zum Fischen an der Ostsee gibt. Die Küste ist felsig und zerklüftet, es wechseln sich Steilwände und flache Buchten munter ab. Da braucht man aber nicht zu verzweifeln, das hat nämlich durchaus Vorteile. Die Ostseeküste ist von der Struktur her vergleichsweise monoton, weshalb es dort erheblich schwieriger ist, die Standplätze der Fische zu finden. Sie können überall und nirgends sein, weshalb stundenlanges, ausdauerndes Watfischen die erfolgsversprechendste Methode ist. So zu fischen ist in Norwegen weder nötig noch effektiv. Ebbe und Flut geben den Takt vor für die Fressphasen der Forellen, dazu gibt es selten ausgedehnte Strandabschnitte, an denen ein stundenlanges Befischen sinnvoll ist. Man geht eher gezielt zu Werke, befischt markante Stellen intensiv während einer vergleichsweise kurzen Zeit. Wie diese markanten und erfolgsversprechenden Stellen aussehen und wann diese intensiv befischt werden sollten, hängt allerdings in hohem Masse von der Jahreszeit ab.
Auch in Norwegen werden die meisten Fische im Fruehjahr gefangen, sobald die Wassertemperatur an der Oberfläche 4 Grad überschreitet. Es ist die einzige Jahreszeit, zu der sich alle geschlechtsreifen Fische im Salzwasser befinden, was ihre Häufigkeit in Fjord und Meer logischerweise erhöht. Zu dieser Zeit kann man Meerforellen sehr gezielt vom Land aus befischen, es gibt als Beifänge allerdings recht häufig Dorsche. Meerforellen mögen bei niedrigen Temperaturen, sagen wir unter 6 Grad, allerdings nicht so gerne Wasser mit hohem Salzgehalt, sie müssen dann sehr viel Energie aufwenden, um das Salz auszuscheiden. Daher sind die Fische jetzt gerne in der Nähe von kleinen Bacheinmündungen zu finden. Und sie stehen gerne sehr flach, denn in den Fjorden hat man fast immer eine Schicht mit sehr viel weniger salzigem Wasser auf dem schweren Meerwasser, bedingt durch die vielen kleineren und größeren Zuflüsse, besonders jetzt im Frühjahr bedingt durch die Schneeschmelze. Die Meerforellen bewegen sich jetzt fast ausschliesslich in diesem weniger salzigen Bereich und verraten ihren Standplatz leicht durch Plätschern oder Oberflächenbewegungen. Wer sich jetzt mit offenen Augen und Ohren am Wasser bewegt, hat gute Chancen die Standplätze der Fische zu finden.
Am besten fängt man die Meerforellen jetzt bei Flut in Ufernähe. In Ufernähe deshalb, weil bei Flut der an Kleinlebewesen und Nahrung reiche Blasentanggürtel unter Wasser steht und somit für die Forellen zugänglich ist. Die beste Fangzeit im Frühjahr fällt in die 2 Stunden jeweils vor und nach Fluthöchststand.
Jetzt muß man nur noch eine aussichtsreiche Stelle finden. Auch in Norwegen mögen Meerforellen sandige Buchten mit Leopardengrund. Wenn eine solche dann noch einen kleinen Süsswasserzufluss hat, umso besser. Aber noch besser ist eine kleine, steinige oder felsige Landzunge, hinter der die Gezeitenströmung einen Strömungswirbel bilden kann. Dann sammelt sich Nahrung im Zentrum dieses Strömungswirbels an, und dorthin muß der Köder. Was für einer? Es funktioniert das ganze gängige Sortiment, am liebsten nehme ich den Klassiker schlechthin, den Møre-Silda in 15 bis 22g in silbrigen Farbmustern.
Allzu große Wurfweiten sind oftmals gar nicht notwendig, weshalb auch gerne Köder zum Einsatz kommen dürfen, die man an der Ostsee kaum oder gar nicht verwendet. Einer meiner Favoriten ist ein nur 3cm langer Rapala Fat Rap Wobbler, der sich für seine geringe Größe allerdings ganz erstaunlich weit werfen läßt. Der bringt oftmals Fische, wenn sonst gar nichts geht.
Sehr viele Fische werden jetzt vom Boot aus mit ufernah geschleppten Ködern gefangen, wobei überwiegend Wobbler in schwarz-silbernen oder blau-silbernen Farbkombinationen eingesetzt werden. Allerdings bin ich der Meinung, daß sich Hotspots gezielter und effektiver vom Land aus befischen lassen, jedoch kann das Schleppen vom Boot aus dabei helfen, solche Stellen überhaupt zu finden.
Jetzt werden auch bald die Seeringelwürmer schwärmen, dabei kann man wahre Sternstunden erleben. Am besten funktioniert dann ein schwarzer Blinker mit einem schwarzen Federpuschel am Drillingshaken, wie der Morild. Es lohnt sich aber auf jeden Fall auch, ein Spirolino in der Kiste zu haben, denn in solchen Momenten ist ein natürlicher Seeringelwurm an diesem angeboten unschlagbar.
Das Wasser wird jetzt zusehends wärmer, die Meerforellen suchen zunehmend Stellen mit starker Gezeitenströmung auf. Dort jagen sie an Strömungskanten und gehen mitunter brutal auf schnell geführte Köder. Das Oberfächennahe Schleppfischen wird mehr und mehr uneffektiv, weil die Beifänge immer dominanter werden. Pollacks, Dorsche und Köhler, alle besonders gerne in geringen Größen machen dem Schleppfischer das Leben schwer. Spätestens mit dem Eintreffen der Makrelenschwärme ist das gezielte Schleppangeln auf Meerforellen kaum noch möglich.
Wenn das Wasser sommerliche Temperaturen erreicht hat, ziehen die Forellen an Stellen, an denen die Gezeitenströmung kaltes Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche drückt. Schwellen am Fjordausgang haben dann oft ein gutes Potenzial. Genau wie an der Ostsee fällt die beste Zeit für das sommerliche Meerforellenfischen in die Nachtstunden, denn tagsüber jagen die Fische in tieferem Wasser Sprotten und Heringe. Gleichzeitig sollte man eine Stelle wählen, an der kaltes Tiefenwasser nach oben gedrückt wird. Das ist oft in schmalen Sunden oder Meerengen der Fall. Oft gibt es dort Brücken, hinter deren Pfeilern sich Strömungsschatten bilden. Hier stehen fast immer Meerforellen. Im Sommer sind oftmals sehr kleine Köder erfolgreich, die aber nur an feinem Gerät vernünftig geworfen werden können. Und hier liegt das Problem, denn als Beifang muß man jetzt jederzeit mit kampfstarken großen Pollacks rechnen, die schon normales Meerforellengeschirr bis in den Grenzbereich fordern. Da helfen kleine Pilker, die als schnell geführte Spinnköder durchaus noch attraktiv für Forellen sind, sich aber auch noch mit dem erforderlichen Gerät weit genug werfen lassen. Bewährt haben sich die Modelle Stingsild oder Atomsilda, besonders letzteren gibt es in winzigen Grössen, die sich in den Sommermonaten sehr bewährt haben.
Ich Fische übrigens ganzjährig mit der selben Ausrüstung, eine 3m lange Spinnrute mit einem Wurfgewicht von 10-30g, daran eine Rolle der 2500er Größe bespult mit einer geflochtenen Schnur mit etwa 6kg Tragkraft. Davor habe ich grundsätzlich 3m 0,25mm Monofilschnur vorgeschaltet.
Wenn sich das Wasser im Herbst abkühlt, beginnt eine schwierige Zeit zum Meerforellenfischen. Zum einen sind jetzt 60% der geschlechtsreifen Fische in ihre Laichgewässer aufgestiegen, was die Häufigkeit der Zielfische im beangelten Gewässer stark vermindert. Zudem stehen die Fische jetzt an steilen Kanten und dort auch noch deutlich tiefer. Auch jetzt sind Phasen mit starker Gezeitenströmung am aussichtsreichsten, wenn die Forellen in Strömungswirbel hinter Landzungen und Felsvorsprüngen ausweichen. Schwere, tieflaufende Blinker oder kleine Pilker bringen jetzt eher Erfolge. Im Herbst ist jede Meerforelle im Salzwasser ein hart erarbeiteter Fisch.
Ist die Wassertemperatur unter 4 Grad gefallen, stellen die Forellen ihr Verhalten wieder um. Sie mögen jetzt eigentlich weder das ganz kalte, noch das ganz salzige Wasser. Ihr Stoffwechsel ist jetzt verlangsamt, jedoch müssen sie nach wie vor Energie aufbringen, um den Salzhaushalt aufrecht zu erhalten. Daher bleiben sie die meiste Zeit passiv im tieferen, etwa 4 Grad „warmen“ Wasser stehen. Die meiste Nahrung finden sie in etwa 3-4m Wassertiefe, dort ist es aber noch kälter. Daher warten sie bis diese Zone bei Ebbe in der Schicht des salzarmen Oberflächenwassers liegt. Ganz anders als zu den anderen Jahreszeiten haben die Meerforellen im Winter ihre Fressphase so gut wie ausschließlich für einen kurzen Zeitraum um den tiefsten Wasserstand herum.
Kommt es zu längeren Frostperioden, was im norwegischen Winter wahrlich keine Seltenheit ist, verringert sich der Zufluss von Süsswasser aus den Bächen und Flüssen an den Fjorden. Unter solchen Bedingungen kann die ausgesüsste Oberflächenschicht verschwinden, und mit ihr dann auch die Meerforellen in für den Uferangler unerreichbare Tiefe. Gibt es nach einer solchen Dauerfrostphase wieder milderes Wetter, am besten gepaart mit reichhaltigen Regenfällen, entsteht erneut eine Süsswasserschicht, und die Forellen werden schlagartig im flachen Wasser aktiv.
Unter ganz bestimmten Umständen kann man jetzt wahre Sternstunden erleben, nämlich, wenn der Tiefststand der Ebbe auf die Mittagsstunden fällt, und zudem noch eine milde Witterung herrscht. Unter solchen Bedingungen werden regelmäßig die größten Meerforellen in den Fjorden gefangen. Selbst bei wirklich ungemütlichen Temperaturen kann man jetzt seine Fische fangen, wenn man weiss, wann und wo. Wieder sind Strömungswirbel hinter Landzungen gut, vorausgesetzt, das Wasser dahinter liegt im Bereich von 3-4m Wassertiefe, gemessen bei Flut. Jetzt fangen relativ langsam geführte Köder wie Küstenwobbler. Auch mein kleiner Fat Rap ist im Winter ein heißes Eisen und lässt die Fische nicht kalt. Unter den genannten Idealbedingungen sind die Fische allerdings so gierig, daß sie mit so ziemlich jedem Köder zu fangen sind. Meine größte Winterforelle, ein Fisch mit acht Pfund und 74cm, fing ich auf einen 15g schweren gold-roten Møresilda in unmittelbarer Ufernähe. An diesem Tag fing ich in einer halben Stunde 3 Meerforellen und verlor eine weitere im Drill, bei soviel Aktion wird einem auch im Winter nicht kalt.