Das erste Mal 1983

  • 1983 - Das erste Mal in Norwegen.

    Angeln in Norwegen? Das war 1983 nur was für einige Meeresprofis. Die Angelwelt fuhr zu der Zeit nach Irland zum Hechtangeln. Hatten wir natürlich auch schon gemacht mit viel Spaß und auch einigen schönen Fischen.
    Freund Martin hatte aber immer wieder von seinen Campingurlauben in Norwegen berichtet und von den teilweise recht guten Fängen vom Ufer aus. Das brachte uns auf die Idee einen Angelurlaub in Norge zu machen.
    Blauäugig aber hoch motiviert begannen wir mit der Planung. Erfahrungen im Salzwasser hatten wir nur durch das Angeln vom Kutter in Nord- und Ostsee. Aber was sollte es schon für Probleme geben?
    Ein Haus am Wasser und ein motorisiertes Boot sollte es sein, das war klar. Nur, wer vermietet so etwas. Es gab damals nur wenig Auswahl bei den Reiseanbietern und den, den wir uns aussuchten, gab es im Jahr darauf schon nicht mehr.
    Auch der Ort und der Zeitraum waren nach einigem Suchen klar: Vetrhus in der Nähe des Vestkap und im Mai sollte es sein.
    Wir haben dann natürlich alles was es an Berichten und Infos über Norwegen gab gelesen und so langsam doch gemerkt, dass es gewisse Unterschiede zu den flachen Heimatgewässern gibt.
    Mitten in der Planung fragte dann Günter (Martins Schwiegervater) an, ob er auch mitkommen könnte. Günter ist leidenschaftlicher Jäger, der wenig bis keine Erfahrungen im Angeln hatte. Aber er ist auch ein patenter Kerl und deshalb war das kein Thema, er durfte natürlich mit.
    Gemeinsam wurde dann das Angelgeschirr vervollständigt. Und bei diesem Einkauf trafen wir zufällig einen Angler, der schon einige Male im gelobten Land auf Salzwasserfische geweidwerkt hatte. Heute muss ich sagen, die Tipps, die er uns gegeben hat waren goldrichtig. Wir haben sie aber zu dem Zeitpunkt nicht alle berücksichtigt. Trotzdem aber noch einig wichtige Infos über die notwendige Ausrüstung beherzigt.
    Am 26. Mai ging es los. Um 13:00h legte die Fähre in Kiel ab.
    Mit der Überfahrt begann der Urlaub. Alles war neu und spannend.
    Das Schiff musste entdeckt werden. Zur Einstimmung einige Whiskey mit Soda, dann der Gang durch den Duty free shop. Das war damals noch lohnend. Dort fragte dann Günter ob wir auch ein Gastgeschenk für unsere Vermieter hätten? Hatten wir natürlich nicht. Wozu auch? In solchen Dingen ist unser Günter aber ganz patent. Also erstmal noch eine Flasche Whiskey für den Hausherren und eine große Schachtel Pralinen für die Dame des Hauses eingekauft.
    Ein nagendes Gewühl in der Magengegend trieb uns zum nordischen Bufet. Lachs, Tiefseegarnelen und so weiter, bis zum Abwinken. Und das Abwinken dauerte eine erhebliche Zeit, denn wir waren jung und konnten einiges an Proviant stauen. Dann noch zum Abschluss einige Hochprozentige und etwas Bier und der Abend in der Bar konnte beginnen.
    Am nächsten Morgen legten wir um 10:00 in Oslo an. Ausfälle bei der Crew waren nicht zu verzeichnen. Der Zoll war nicht vorhanden und die Fahrt ging los.
    Wieder etwas Neues, die Reisegeschwindigkeit, die wir aus Deutschland gewohnt waren, gab es hier nicht. Geschwindigkeitsbeschränkungen und keine Autobahnen, damit war unsere geschätzte Ankunftszeit im Eimer.
    Die E 6 bis Otta ging ja noch, aber dann führte der Weg in Gebirge. Vorbei an traumhaften Landschaften, in größeren Höhen noch Schnee und Eis, ging es über Lom und Grotli in Richtung Stryn. Dabei wurden Straßen immer schlechter.
    Ein Höhepunkt in der Gletscherwelt: Plötzlich nach einer leichten Linkskurve ein Tunnel. Das bedeutet von der gleißenden Helligkeit aus Eis, Schnee und Sonne in fast gänzliche Lichtlosigkeit, wenn man von den paar 100 W Funzeln absieht, die da an der Tunneldecke hingen. Abbremsen bis fast auf Null und langsam an die Dunkelheit gewöhnen war die automatische Reaktion. Gut, dass es zu der Zeit nur wirklich wenig Verkehr gab. Am Ende waren es drei Tunnel, dicht hintereinander, die wir durchfahren mussten. Dann waren wir auf der anderen Seite des Gebirges und am Anfang eines schmalen Tales. Der Weg ging in tollen Serpentinen mit herrlichen Aussichten einige hundert Meter runter und führte uns dann über Stryn bis zum Nordfjord.
    Der Rest der Strecke (~ 130 km) hat uns dann noch mal alles abverlangt. Die Straße: Damals in großen Teilen aus Schotter, einspurig mit Ausweichstellen. Zuletzt ging aber auch das vorbei und wir waren ohne großes Suchen (die Beschreibung war ok) am Ziel.
    Am Haus erwartete uns Bodvar! Mit Bart würde er in jedem Wikingerfilm als Hauptdarsteller durchgehen, aber er war rasiert und ein wirklich freundlicher Mann. Nur konnte er zu dem Zeitpunkt kein Deutsch (wir natürlich auch kein Norwegisch) und nur wenig Englisch. Heute spricht er fließend Deutsch und wir immer noch kein Norwegisch! Es war auch für ihn eine Premiere, denn wir waren seine ersten Gäste.
    Das Haus war Spitze. Viel Platz und absolut gemütlich eingerichtet. Am Bootshaus (30 m weg) lag unser Boot. Ca. 4,50 m lang mit 10 PS Außenborder. Was braucht der Angler mehr?
    Als sich unser Bodvar verabschieden wollte übergab im unser Alter (Günter, damals Mitte 50) noch schnell die Gastgeschenke. Unser Norweger war echt erfreut.
    Dann los, alles einräumen und das Abendessen vorbereiten. Schließlich war es schon fast 21:00 Uhr.
    Allerdings musste das Essen noch etwas warten, denn Bodvar tauchte plötzlich mit seinem Boot auf, lotste uns mit Handzeichen, Englisch und Norwegisch in unser Boot. Das Einzige, was wir verstanden war Net oder so. Keiner wusste so recht was nun werden sollte, aber egal. Er fuhr voraus und führte uns zu seinem Haus, das in traumhafter Lage direkt am Wasser steht und da dann hinein in sein Bootshaus. Ziemlich flott war er auf der Mole und schon kamen nacheinander zwei große Stellnetze in unser Boot gerauscht. Da waren wir nun platt. Keiner hatte Ahnung vom Netze stellen, aber unser Bodvar war schon wieder an Bord und ab ging es zu der kleinen Bucht vor unserem Haus. Dort bekamen wir dann die Einweisung in die hohe Kunst der Stellnetzfischerei.
    Mit dem Hinweis jeden Morgen und jeden Abend die Netze zu kontrollieren und den allerbesten Wünschen für einen schönen Urlaub (haben wir jedenfalls so interpretiert) ließ er uns dann allein.
    Das war ja was! Wohin bloß mit dem zu erwartenden Fisch? Na egal, die Kühltruhe war jedenfalls groß genug und nun erstmal Abendessen und dann sehen wir weiter.

    Am nächsten Tag ging sie dann los, die Angelei auf dem großen Salzwasser!
    Vorher allerdings ein ausgiebiges Frühstück mit gebratenen Eiern mit Speck und diversen Broten, Müsli mit Kulturmelk (oberlecker,die hatten wir versehentlich eingekauft, weil damals keiner von uns wusste, wie Vollmilch heißt), Kaffee und Tee und was der Mensch sonst noch so braucht, um genügend Energie für einen langen Tag auf dem Wasser zu sammeln. Dann die Verpflegung und Getränke sowie das notwendige Angelzeug in Boot verfrachtet und ab ging’s.
    Zuerst die Netze einholen.
    Eingefleischte Angler und linientreue Moralisten werden jetzt bestimmt die Nase rümpfen und zu weitschweifenden Vorträgen über die Verwerflichkeit des Benutzens von geknüpften Garnen zum Zwecke des Fischfanges ansetzen.
    Aber damit kann ich leben, denn spannend ist die Sache allemal, was sich wohl über Nacht so gefangen hat. Und es war nicht die Masse, die wir wohl alle mangels Erfahrung erwartet hatten (Gott sei Dank nicht, denn wohin damit?), aber Klasse! Zwei große Schollen (jede so 60 cm), 4 Seezungen von ebenfalls beachtlicher Größe, und zwei Pollak. Erstklassig, das Essen war gesichert, und nun los, richtig Fische fangen mit der Angel.
    Seekarte und Kompass gehören zur Standartausrüstung, aber Echolot war damals noch nicht für Kleinboote zu haben. Also mit Kreuzpeilungen und Entfernung schätzen versucht die fängigen Unterwasserberge und Abbruchkanten zu finden. Das war nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Außerdem trauten wir uns auch nicht wirklich weit auf das Meer raus und Landpeilungen waren somit gut machbar. Wenn ich daran denke, wo wir in späteren Jahren überall hingefahren sind, war das während unserer ersten Norwegenwoche wirklich nicht weit. Vorsichtiges Verhalten ist aber gerade für Anfänger nie schädlich und unsere Fische haben wir auch so gefangen. Zwar alles keine Riesen aber wir waren zufrieden.
    Ein Problem waren allerdings die Tiefen. Nicht 20m wie in der Ostsee, sonder 50m, 80m oder weit über 100m waren überall. Mit der monofilen Leine war bei spätestens 80 m Schluss. Tiefer ging es nur mit Multirolle und 30 lbs Schnur. Dafür hatten wir dann leider nicht genügend große Gewichte. Wir hätten den Aussagen des Meeresprofis damals im Angelladen doch glauben sollen! Also natürliche Begrenzung der Möglichkeiten.
    Dann am dritten oder vierten Tag, es war vollkommen windstill und die Wolken hingen in geringer Höhe an den Berghängen, sind wir doch mal etwas weiter raus gefahren. An der Insel Barmen vorbei ging es ins Sildegapet. Das ist eine große Bucht, an deren rechter Seite das Vestkap (der westlichste Punkt Norwegens) liegt.
    Dort versuchten wir in der Nähe einer kleinen namenlosen Insel unser Glück. Zuerst gingen uns kleinere Köhler an den Haken, von denen wir einige für unser Abendessen mitnahmen. Wir pilkten in ungefähr 60m Tiefe, als Martin einen heftigen Biss bekam. Der Fisch war nicht vom Grund weg zu bekommen. Die 0,5 mm Monofile dehnte sich wie ein Gummiband und richtig Druck war nicht aufzubauen. Nach fünf Minuten hatte sich die Sache dann erledigt. Wir vermuteten, dass der Pilker ausgeschlitzt war. Heute würde ich eher sagen, der vermutliche Großdorsch hatte sich einen der kleinen Köhler am Beihaken geschnappt ohne richtig den Haken zu fassen. Jedenfalls saß mein Freund mit langem Gesicht auf der Ruderbank und war sichtlich verärgert über sein Pech.
    Nur wenig später dann das Gleiche bei mir. Ein heftiger Biss und als Reaktion auf meinen Anhieb nur ein Kopfschütteln des Fisches da in der Tiefe. Scheinbar war mein Gegner aber nicht so groß wie der von Martin, denn nach einiger Zeit ließ der heftige Widerstand etwas nach und ich bekam den Fisch langsam vom Grund weg in Richtung auf unser Boot. Mit gefühlvollem Pumpen kam er dann an die Oberfläche, mein bis dahin größter Fisch. Ein Dorsch von 16 Pfund, der wie es sich gehört den Pilker genommen hatte. Ich war begeistert!
    In der Folgezeit fingen wir dann noch einige gute Dorsche so bis 8 Pfund, aber leider keine so großen mehr. Wir waren aber trotzdem voll zufrieden und machten uns auf den Heimweg, um die Fische zu verarbeiten.
    Am nächsten Tag frischte der Wind auf, wir trauten uns nicht mehr so weit raus und blieben lieber im Windschatten der großen vorgelagerten Insel.
    Mit unseren Netzen hatten wir dann noch zwei bemerkenswerte Fänge. Außer den Schollen, Seezungen (oberlecker) und Pollaks ging uns noch ein Seewolf von knapp 10 Pfund und am nächsten Tag ein ebenso großer Seeteufel in die Maschen.
    Beide Fische waren uns bis dahin unbekannt. Als der Seewolf sich im Boot aus dem Netz befreit hatte und mit seinem beachtlichen Gebiss um sich schnappend umherschlängelte, kam erstmal erhöhte Vorsicht auf. Das soll heißen, meine beiden Mitangler hatten schlagartig die Füße auf den Ruderbänken. Die Situation wurde dann, nach einem heftigen Schlag mit dem „Migränestab“ direkt auf das Gedankenfach unseres schuppigen Freundes und anschließendes Kehlen, erheblich entspannter. Nun kam erstmal das große Rätselraten: Was ist denn das für ein Fisch? Aufgeklärt haben wir die Sache durch einen Blick in mein Fischbestimmungsbuch. Und als sich dann auch noch rausstellte, wie wohlschmeckend der Bursche war, hatte das Ganze doch einen sehr angenehmen Abschluss.
    Ähnlich ging es uns am nächsten Tag mit dem Seeteufel. Nur schien er uns weniger gefährlich. Die Füße blieben am Boden. Der Schlag auf den Kopf, (Wir waren uns nicht ganz sicher, wo der aufhört. Der Anfang war aber klar!) hatte den Anschein man würde auf einen nassen Lappen schlagen. Die Wirkung reichte aber allen Beteiligten. Will sagen, der Seeteufel und wir waren tief beeindruckt und einer weiteren Verarbeitung stand nichts im Wege.
    Nun ebenfalls wieder das Bestimmungsbuch befragt, die Auskunft war durchaus befriedigend und der anschließende Geschmackstest fiel noch besser aus. So ein Seeteufel ist wirklich delikat!
    So ging unser Angelurlaub in Norwegen langsam zu Ende. Wir fingen noch etliche schöne Fische, wenn auch keine großen mehr, genossen die Tage, verspeisten jede Menge herrlicher Filets und hatten Spaß wie selten vorher in einem Urlaub.
    Für den Transport der eingefrorenen Fischfilets gab uns Bodvar dann noch eine große Styroporkiste. Daran hatten wir natürlich nicht gedacht und keiner hatte vor Beginn der Reise geglaubt, dass es so viel Fisch zu fangen gab.
    Ein wenig wehmütig haben wir uns dann von unseren Norwegern verabschiedet, allerdings nicht ohne noch Visitenkarten zu tauschen. Das war ein Glück, denn das Reisebüro, über das wir die Tour gebucht hatten hat noch in dem Jahr Pleite gemacht (obwohl wir ordnungsgemäß bezahlt haben).
    Wir sind dann in den nächsten Jahren noch oft zu Bodvar gefahren (zuletzt 2004) und haben dann immer privat gebucht.
    Der Rückweg war ebenso anstrengend, nur dass wir dieses Mal wussten, was da auf uns zukommt.
    Unsere Rückfahrt begann an einem Sonnabend und wir waren so gegen 18:00 in Oslo. Die Fähre nach Kiel startete erst am nächsten Tag um 14:00. Also erstmal ein Hotel suchen. Das war nicht wirklich schwierig und nicht mal soo teuer. Der Abend an der Bar war dann recht lustig. Weil es wohl einer der wenigen Orte in Oslo war, an denen Alkohol ausgeschenkt wurde, kamen dort viele Norweger beiderlei Geschlechts zusammen und nach kurzer Zeit ging es hoch her. Das war dann allerdings nicht mehr so billig.
    Am nächsten Tag haben wir dann den Nachmittag auf der Fähre erstmal Schlaf nachgeholt. So ausgeruht konnten wir anschließend am Bufet noch mal so richtig zugeschlagen (Mist, dass ich das heute nicht mehr so viel essen kann!) und allen war klar: Wir kommen wieder!

  • Schöner Bericht aus lääääääääängst vergangenen Tagen.:Danke:
    1983 war für mich an Norwegen noch nicht mal zu denken. Da war ich gerade mal in der 1. Klasse und ausserdem DDR- Bürger. :)

    Da ist es schön einen Bericht aus der "Pionierzeit" des Norwegenangelns zu lesen. Vor allem wenn man sich nach so langer Zeit noch an Details erinnern kann wie du. *Respekt*
    Für Euren ersten Norwegen- Urlaub habt ihr aber auch gleich ordentlich zugelangt :baby:, zumindest was die Vielzahl der Fischarten angeht.
    Da bis heute sicherlich noch einige Urlaube dazwischenlagen, können wir ja noch auf ein paar so schöne Berichte von dir hoffen. ;)

    Gruß Torsten (ohne "h") :wave:



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    Freundschaft ist wie Hose voll – jeder sieht es, aber du als Einziger fühlst die Wärme! (Otto Waalkes)

  • Jochen, Du hast eine erstklassige Schreibe. :klatsch: Da wünscht man sich sofort weitere Berichte! Außerdem hat es Erinnerungen an längst vergangene (Anfänger-)Zeiten wachgerufen! :biglaugh: :Danke:

    Richtung Norge und dann immer gerade aus!

    <fn> Linesøya - Was sonst? <fn>

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